Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
gelassen in Richtung Krocket davon. Ihre Körperhaltung war hervorragend: Zeb tippte auf Yoga-Anhängerin. Menschen mit solcher Haltung gaben ihm persönlich das Gefühl, ein Schluffi zu sein.
Es juckte ihn in den Fingern, ins Internet zu gehen, über den bewährten Lotusblatt-Pathway den MaddAddam-Chatroom von Urzeit-Exitus aufzusuchen und Adam nach dieser Frau zu fragen, aber er wusste, dass das unklug wäre. Je weniger im Internet gesagt wurde, desto besser, auch wenn man sich in Sicherheit wähnte. Das Netz war immer schon genau das gewesen – ein Netz voller Löcher, in das man jederzeit hineingeraten konnte; und so war es noch immer, trotz der angeblich ständig hinzugefügten Anpassungen in Form von undurchlässigen Algorithmen, Passwörtern und Daumenscans.
Aber was erwarteten sie anderes? Bei Cybersklaven wie ihm, der die Sicherheitsschlüssel in der Hand hatte, war ein Leck doch geradezu vorprogrammiert. Die Bezahlung war zu schlecht, also war die Versuchung groß, zu stöbern, zu schnüffeln, zu petzen und gegen fette Belohnungen Daten weiterzugeben. Allerdings wurden die Strafen immer extremer, was ein gewisses Gegengewicht bildete. Cyberpiraten wurden immer professioneller, siehe die Firmen, für die er in Rio gearbeitet hatte. Wenige Leute hackten heutzutage noch aus Jux, nicht mal im Rahmen von Protestaktionen wie damals in den legendären goldenen Jahren, über die Retro-Anonymous-Masken tragende Mittvierziger in den schummrigen, spinnwebenverhangenen, toten Winkeln des Web in nostalgisches Schwärmen gerieten.
Was würden Protestaktionen überhaupt noch nützen? Die Konzerne machten mobil, um eigene private Geheimdienste aufzubauen und die Artillerie unter ihre Kontrolle zu bringen; kein Monat war vergangen ohne irgendein neues, angeblich zum Schutz der Allgemeinheit erlassenes Waffengesetz. Demonstrationen von der alten Schule waren passé. Unter der Hand konnte man sich wie Hochwürden an individuellen Zielen rächen, aber jede Art von öffentlicher Aktion mit Menschenmengen, Bannern und anschließend eingeschlagenen Schaufensterscheiben würden im Keim erstickt werden. Das hatte sich allmählich herumgesprochen.
Er verputzte den letzten Bissen von seiner SoLecker-Waffel, wehrte die stupsnasige Marjorie ab, die ihn für eine Runde Krocket gewinnen wollte und die Beleidigte spielte, als er sagte, er habe bei Holzbällen zwei linke Hände, und schlenderte hinüber zu Glenn, der immer noch dasaß und auf das Schachbrett starrte. Er hatte es wieder aufgestellt und spielte gegen sich selbst. »Und, wer hat gewonnen?«, fragte Zeb.
»Ich fast«, sagte Glenn. »Sie kam mir mit nem Grobs Angriff. Hatte ich nicht mit gerechnet.«
»Was genau macht sie eigentlich hier?«, fragte Zeb. »Leitet sie irgendeine Abteilung?«
Glenn grinste. Es machte ihm Spaß, Dinge zu wissen, die Zeb nicht wusste. »Pilze. Schimmel. Spielst du ne Partie mit mir?«
»Morgen. Hab zu viel gegessen, mein Kopf ist nicht mehr klar.«
Glenn schaut grinsend zu ihm hoch. »Du hast doch nur Schiss«, sagt er.
»Vielleicht bin ich nur zu faul. Woher kennst du sie?«, fragte Zeb.
Glenn sah ihn etwas zu lange, etwas zu durchdringend an: grüne Katzenaugen. »Hab ich doch gesagt. Sie arbeitet mit meinem Vater zusammen. Er gehört zu ihrem Team. Jedenfalls ist sie im Schachclub. Ich spiel gegen sie, seit ich fünf bin. Die ist nicht ganz doof.«
Was für ihn schon das Maximum an Anerkennung war.
Vektor
Beim nächsten Grilldonnerstag war Glenn nicht da. Schon seit einigen Tagen fehlte jede Spur von ihm. Er hatte weder in der Cafeteria gelungert noch hatte er Zeb nach neuen Hackertricks gefragt. Er war unsichtbar geworden.
War er krank? War er weggelaufen? Das waren die einzigen beiden Möglichkeiten, die Zeb einfielen, und das Weglaufen schloss er gleich wieder aus: Dazu war der Junge bestimmt zu jung, und ohne Genehmigung war es schwierig, HelthWyzer zu verlassen. Wobei sich Glenn mit seinen neuen Codiertricks wahrscheinlich locker eine hätte fälschen können.
Aber es gab noch eine andere Möglichkeit: Vielleicht hatte der kleine Klugscheißer ja jenseits der digitalen Grenzen gewildert. Womöglich war er in irgendeine sakrosankte Datenbank eingebrochen und hatte sich bedient – einfach so aus Spaß, um etwas zwielichtigen Handel mit dem chinesischen Graumarkt zu treiben oder schlimmer noch, mit den Albanern, die waren im Moment auf dem aufsteigenden Ast – und sich erwischen lassen. In dem Fall säße er jetzt in einem
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