Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
vielleicht mochte er junge Hunde –, aber zumindest hatte die Welt wieder ein Arschloch weniger, und das war doch auch was wert, oder? Ein Häkchen in der Spalte ›gute Mächte‹. Oder finstere Mächte, je nachdem, wer die doppelte Moralbuchführung machte.
    Wobei Chuck kein gewöhnliches Arschloch war; er war nicht übellaunig, nicht aggressiv, nicht wie Zeb selbst, wenn er sich im Arschlochmodus befand. Eher das Gegenteil. Zu freundlich, zu linientreu, die Menschheit hat sich überlebt, die Menschheit hat sich selbst ins Aus manövriert, das ökologische Gleichgewicht muss wiederhergestellt werden und so weiter und so weiter, der Mann überspannte den Bogen dermaßen, dass es ans Groteske grenzte, und das sollte schon was heißen bei einem Laden wie der Bärenbrücke mit seinem vollen Kontingent an überzeugten Pelzwichser-Ökos.
    Wobei gar nicht alle Pelzwichser waren: Manche behaupteten, nur für den Kick dabei zu sein. Es waren tollkühne, unabhängige, tattoogepolsterte Abenteurer mit fettigem Pferdeschwanz wie die Kerle aus alten Bikerfilmen – Muskelprotze, die über Grenzen gehen wollten, mit Stiefeln an den Füßen, die ein bisschen zu derb waren für einen harmlosen Spaziergang. Etwa so sah sich auch Zeb: aufgepumpt durch natürliche Steroide, kann zupacken, flink im Kopf und zu Fuß, immer in Geldnöten, mit einem Faible für die schattigen Randgebiete, wo einem keine Instanz ihre Fangarme in die Hosentasche schieben kann, in der sich am Ende noch der Inhalt gehackter Bankkonten verbarg.
    Zwar sahen die eingetragenen orthodoxen Pelzwichsernasen-Ökos auf Zeb und seinesgleichen herab, hielten sich mit selbstgerechtem Getue aber eher zurück. Sie waren auf Mithilfe angewiesen, denn nicht jeder Erdbewohner begeisterte sich für die Idee, mit dem Aero/Orno/Hubschrauber unzählige Containerladungen ranzigen Biomüll in den hohen Norden zu schaffen, um ein paar räudige Bären mit Gratisfutter zu versorgen.
    »Das war wohl noch vor der Ölknappheit«, sagte Toby. »Und bevor das große Geschäft mit dem Boilermüll losging. Sonst hättet ihr doch niemals so kostbares Primärmaterial vor die Bären werfen dürfen.«
    »Das war noch bevor es mit vielem losging«, sagte Zeb. »Wobei die Ölpreise da schon extrem angezogen hatten.«
    »Die Bärenbrücke verfügte über vier ältere Schrauber vom Graumarkt. Sie hatten den Beinamen Fliegender Kugelfisch. Angeblich basierten die Schrauber auf Biodesign: Sie hatten eine helium-/wasserstoffgefüllte Luftschiffkomponente mit kontraktionsfähiger, atmungsaktiver Haut, die Moleküle aufsaugen oder ausstoßen konnte wie Fische mit ihrer Schwimmblase. Dazu hatten sie zwei stabilisierende Seitenflossen, Rotorblätter und vier Vogelflügel zum Manövrieren bei niedriger Geschwindigkeit. Vorteilhaft waren der geringe Treibstoffverbrauch, ultrahohe Tragfähigkeit und gute Tiefflugeigenschaften; von Nachteil, dass die Flüge ewig dauerten, die Software regelmäßig den Geist aufgab und nur die wenigsten unter ihnen die Biester wieder zum Laufen bringen konnten. Dubiose Digimechaniker mussten eigens aus Brasilien eingeflogen oder vielmehr eingeschmuggelt werden, wo der illegale Digitalmarkt florierte.
    Da unten wurde man schneller gehackt, als man gucken konnte. Im Kleinen boomte das Geschäft mit den Krankenakten und schmutzigen Aktionen der Politiker und den Schönheitsoperationen der Prominenten. Und im Großen ging es um Konzernspionage. Mit dem Hacken eines mächtigen Konzerns konnte man sich mächtig in die Scheiße reiten, selbst wenn man geschützt war, indem man auf der geheimen Gehaltsliste eines anderen mächtigen Konzerns stand.
    »Dann hast du’s bestimmt auch gemacht«, sagt Toby. »Dich richtig in die Scheiße geritten.«
    »Ja, ich war da unten, zum Geldverdienen«, sagt Zeb. »Das war auch einer der Gründe, mir ne Auszeit bei der Bärenbrücke zu nehmen: Brasilien war extrem weit weg.«
    Die Bärenbrücke war Verarschung oder zumindest teilweise. Jeder, der nur halbwegs bei Verstand war, kam ziemlich schnell dahinter. Anders als sonst war diese Verarschung für einen guten Zweck, aber Verarschung war’s trotzdem. Der Laden lebte von den guten Absichten und verfügbaren Gefühlen der Städter, die sich einbildeten, damit irgendwas zu retten – irgendeinen Fetzen authentisch-urzeitlicher Vergangenheit ihrer Vorfahren, einen Schnipsel ihrer kollektiven Seele im niedlichen Bärenkostüm. Das Konzept war simpel: Die Polarbären müssen verhungern, weil’s

Weitere Kostenlose Bücher