Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
drangehen sollen und sagen, Zeb sei tot. Er hätte vielleicht ein paar interessante Dinge erfahren. Wenige Minuten später klingelte sein eigenes Telefon; er wartete, bis das Klingeln aufhörte, und zertrümmerte es ebenfalls.
Chuck hatte noch das ein oder andere Spielzeug dabei, wenn auch nichts, was Zeb nicht selbst hatte. Taschenmesser, Bärenspray, Insektenspray, eine unausgepackte Weltraum-Alu-Survivaldecke, solche Dinge. Durch enormes Glück war das Bärengewehr, das sie im Falle von Landungen und Angriffen immer bei sich hatten, zusammen mit Chuck aus der Maschine geworfen worden. Bärengewehre bildeten die Ausnahme vom neuen Antiwaffengesetz, denn selbst dem beklopptesten CorpSeCorps-Bürokraten war klar, dass ein Bärengewehr da oben unabdingbar war. Das Corps war wenig begeistert von der Bärenbrücke, machte aber auch keine Anstalten, ihr den Hahn abzudrehen, obwohl ein Wink mit dem kleinen Finger genügt hätte. Sie leistete ihm gute Dienste, ließ einen Funken Hoffnung aufkommen und lenkte von den wahren Aktivitäten des Corps ab, nämlich die Erde flachzuplanieren und sich alles, was auch nur irgendeinen Wert hatte, unter den Nagel zu reißen. Man hatte nichts gegen die Standardwerbung der Bärenbrücke, wo ein lächelnder Pelzwichser-Öko der Welt erklärte, wie irrsinnig viel Gutes die Bärenbrücke tue, und bitte spendet mehr Geld, sonst habt ihr die Bären auf dem Gewissen. Das Corps spendete ja sogar selbst. »Das war damals, als die noch auf vertrauenswürdig machten«, sagte Zeb. »Aber kaum hatten sie ihre Vorrangstellung, war’s vorbei damit.«
Als Zeb das Bärengewehr entdeckte, ließ sein Zittern fast komplett nach. Am liebsten hätte er es an sich gedrückt: Jetzt war er zumindest nicht gänzlich chancenlos. Die Spritze aber, die Chuck ihm verpassen wollte, fand er nicht; schade eigentlich, denn er hätte gern gewusst, was es war. Höchstwahrscheinlich K . o.-Tropfen. Er wäre vorübergehend lahmgelegt und zu irgendeinem Schattenwelt-Treffen geflogen worden, wo die von Gott weiß wem angeheuerten Hirnschaber schon gewartet hätten, um seine neuronalen Daten abzutragen, alles aus ihm rauszuquetschen, was er jemals gehackt hatte und für wen er jemals gehackt hatte, und ihn als entkernte und verschrumpelte Hülle zurückzulassen, und er wäre mit künstlich induzierter Amnesie durch einen fernen, verheerten Sumpf getaumelt, bis ihm die örtlichen Einwohner die Hosen geklaut und seine Organe fürs Transplantationsgeschäft recycelt hätten.
Aber selbst wenn er die Spritze gefunden hätte, was dann? Hätte er sie etwa an sich selbst testen sollen? Oder an einem Lemming? »Dennoch, ich hätte sie behalten können, für den Notfall«, sag Zeb.
»Für den Notfall?«, sagt Toby und lächelt im Dunkeln. »Und das war kein Notfall?«
»Nein, für einen echten Notfall«, sagt Zeb. »Wenn ich da draußen irgendeinem anderen Menschen in die Arme gelaufen wäre. Das wäre ein Notfall gewesen. Nicht auszuschließen, dass es irgendein Irrer gewesen wäre.«
»Gab es Schnur?«, fragt Toby. »In den Taschen. Man weiß nie, wann man mal Schnur braucht. Oder Seil.«
»Schnur. Ja, jetzt wo du’s sagst. Eine Rolle Angelschnur, die hatten wir immer dabei, und ein paar Haken. Feueranzünder. Minifernglas. Kompass. Die Bärenbrücke stattete uns mit diesem ganzen Pfadfinderzeug aus, einem Survival-Grundstock. Chucks Kompass hab ich aber nicht mitgenommen, ich hatte ja schon einen. Kein Mensch braucht zwei Kompasse.«
»Schokoriegel?«, fragt Toby. »Energierationen?«
»Ja, ein paar mickrige Kickriegel, Ersatznüsse, ne Packung Hustenbonbons. Die hab ich mitgenommen. Und.« Er hält inne.
»Und was?«, fragt Toby. »Erzähl weiter.«
»Also gut, ich hab ein Stück Chuck mitgenommen. Hab ich mir mit dem Taschenmesser abgehackt, oder besser, abgesägt. Chuck hatte eine wasserdichte Faltjacke, also hab ich ihn da eingewickelt. Futter ist ja eher Mangelware da oben in den Barrens, das wussten wir alle aus dem Bärenbrücken-Kurs. Kaninchen, Eichhörnchen, Pilze, aber zum Jagen hätte ich nicht die Zeit gehabt. Außerdem kann man am Hungertod sterben, wenn man nichts als Kaninchenfleisch isst. An den Viechern ist kein Gramm Fett. Das wär so ähnlich wie bei dieser beknackten Diät, du weißt schon, wo man nur Proteine isst. Die Muskeln lösen sich auf. Das Herz wird ganz dünn.«
»Welches Stück Chuck hast du denn mitgenommen?«, fragt Toby. Sie wundert sich selbst, dass sie so abgebrüht reagiert;
Weitere Kostenlose Bücher