Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
mitgebracht.« Er selbst hatte auch ein Bier, um zu beweisen, dass er ein ganz normaler Kerl war.
    Zeb grunzte, nahm das Bier, schraubte den Deckel ab. »Ich muss mal pissen«, sagte er. Auf dem Klo schüttete er das Bier in den Ausguss. Der Deckel schien zwar versiegelt, aber das musste nichts heißen, so wie nichts mehr irgendetwas heißen musste. Er wollte nichts kippen oder knabbern, was Chuck schon in der Hand gehabt hatte.
    Das Starten der Kugelfische war immer eine Sache für sich: Rotorblätter und Helium/Wasserstoffblase gaben Auftrieb, doch der Trick bestand darin, genug Höhe zu gewinnen, bevor man die Flügel einschaltete, und die Rotorblätter genau im richtigen Moment auszuschalten, sonst konnte die Maschine zur Seite kippen und ins Trudeln geraten.
    Aber an diesem Tag ging alles glatt. Der Flug verlief nach Plan, sie fädelten sich durch die Täler rund um die Pelly Mountains, machten ein paarmal Halt, um die Landschaft mit Leckerchen für die Bären zu bombardieren; dann ging’s über die hohen Barrens der Mackenzie Mountains, schneebedeckte Wipfel wie auf einer Ansichtskarte, ein, zwei weitere Abwürfe; anschließend über das, was vom Old Canol Trail übrig geblieben war, wo man immer noch hie und da einen WK 2-Telefonmast entdecken konnte.
    Der Schrauber flog wie ne Eins. Er hörte auf zu flattern und begann genau über den Abwurfstellen zu schweben, die Luke ging ganz normal auf und der Biomüll stürzte zur Erde. Noch während sich der Schrauber der letzten Fütterungsstelle näherte, galoppierten schon zwei Bären – einer hauptsächlich weiß, der andere hauptsächlich braun – ihrer persönlichen Müllkippe entgegen; Zeb sah die kräuselnden Pelze, als würde jemand einen Langhaarteppich ausschütteln. Diese Nähe zu den Bären gab ihm immer einen Kick.
    Zeb wendete den Schrauber und nahm Kurs auf Südwest, zurück in Richtung Whitehorse. Dann übergab er an Chuck, denn laut Uhr war Zeb an der Reihe, sich eine Runde aufs Ohr zu hauen. Er lehnte sich zurück, pustete sein Nackenkissen auf und schloss die Augen, erlaubte sich aber nicht wegzunicken, denn während des gesamten Fluges war Chuck eindeutig zu aufmerksam gewesen. Kein Mensch ist derart angespannt, wenn überhaupt nichts los ist.
    Sie hatten gut zwei Drittel des Weges zum ersten schmalen Tal zurückgelegt, als Chuck in Aktion trat. Durch seine halb geschlossenen Lider sah Zeb, wie sich eine Hand mit einem glitzernden Etwas verstohlen auf seinen Oberschenkel zubewegte. Er fuhr hoch und knallte Chuck eine Handkante in die Luftröhre. Allerdings nicht fest genug, denn Chuck stieß zwar ein Keuchen aus – eigentlich war es kein Keuchen, aber schwer zu beschreiben, was es genau war –, er gab dieses Geräusch von sich und ließ fallen, was immer er in der Hand gehabt hatte, packte Zeb aber an der Gurgel und Zeb schlug noch einmal zu und natürlich flog zu diesem Zeitpunkt niemand mehr die Maschine und inmitten der ganzen Keilerei muss einer mit dem Bein oder der Hand oder dem Ellenbogen irgendwo gegengestoßen sein und schon klappte der Schrauber zwei seiner vier Flügel ein, kippte zur Seite und stürzte ab.
    Irgendwann stellte Zeb fest, dass er unter einem Baum saß und auf den Baumstamm starrte. Verblüffend klar sah er die geriffelten Ränder der Flechte: hellgrau mit einem Hauch von Grün, und am Rand noch so viel dunkler, unglaublich filigran …
    Steh auf , befahl er sich. Du musst hier weg . Aber sein Körper reagierte nicht.

Vorräte
    Viel, viel später erst – es wirkte wie eine sehr lange Zeit, es war ein Gefühl wie durch transparenten Schlamm zu waten – rollte sich Zeb auf die Seite, stützte sich auf die Hände und schob sich neben dem dürren fichtenartigen Baum hoch. Dann übergab er sich. Dass ihm schlecht war, hatte er gar nicht wahrgenommen: Er musste einfach plötzlich kotzen.
    »Tiere machen das so«, sagte er. »Unter Stress. Damit der Körper keine Energie in die Verdauung stecken muss.«
    »War dir kalt?«, fragt Toby.
    Zeb klapperte mit den Zähnen, er zitterte am ganzen Leib. Er nahm Chucks Daunenweste und zog sie über die eigene. Sie war kaum zerrissen. Er überprüfte den Inhalt der Taschen, entdeckte Chucks Telefon und zertrümmerte es mit einem Stein, um mögliche GPS - und Abhörfunktionen auszuschalten. Gerade als er zur Zertrümmerung ansetzte, klingelte es; er musste seine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht dranzugehen und zu tun, als wäre er Chuck. Vielleicht hätte er aber

Weitere Kostenlose Bücher