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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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will nicht allein durch den Wald gehen. »Aber könntest du kurz mal weghören? Und weggucken?«
    »Musst du pinkeln?«, fragt Zeb. »Stör dich nicht an mir.«
    »Du weißt doch, wie das ist. Du warst doch selbst mal Gärtner«, sagt sie. »Ich muss mit den Bienen sprechen.« Es gehört zu den Gärtnerpraktiken, die einem Außenstehenden seltsam vorkommen müssen; sogar ihr selbst kommt es seltsam vor, denn in gewisser Weise ist sie immer eine Außenstehende geblieben.
    »Klar«, sagt Zeb. »Du, mach einfach.« Er dreht sich weg und schaut in den Wald.
    Toby spürt, wie sie errötet. Dennoch zieht sie sich das Laken über den Kopf – das müsse so sein, sagte die alte Pilar, um den Bienen seinen Respekt zu zeigen – und spricht im Flüsterton mit der summenden Pelzkugel. »O ihr Bienen«, sagt sie. »Ich grüße eure Königin. Ich möchte ihre Freundin sein und ihr ein sicheres Zuhause schaffen, und auch euch, die ihr ihre Töchter seid, und ich will euch jeden Tag erzählen, was es Neues gibt. Möget ihr vom Land der Lebenden all jenen Seelen, die im Land der Schatten leben, eure Botschaften bringen. Bitte sagt mir nun, ob ihr mein Angebot annehmen wollt.«
    Sie wartet. Das Summen wird lauter. Dann fliegen einige Bienen hinunter und setzen sich auf ihr Gesicht. Sie erkunden ihre Haut, ihre Nasenlöcher, ihre Augenwinkel; es ist, als würde sie von Dutzenden winziger Finger gestreichelt. Stechen sie, lautet die Antwort nein. Stechen sie nicht, lautet die Antwort ja. Sie holt Luft, zwingt sich zur Ruhe. Sie mögen es nicht, wenn man Angst hat.
    Die Vorreiterin hebt ab, trudelt zurück zum Schwarm, taucht zurück in das surrende goldene Fell. Toby atmet aus.
    »Kannst wieder gucken«, sagt sie zu Zeb.
    Ein Knistern, ein Rascheln: Irgendetwas kommt ihnen aus dem Unterholz entgegen. Toby spürt, wie das Blut aus ihren Händen weicht. O Scheiße, denkt sie. Ein Schwein, ein Hunolf? Wir haben kein Spraygewehr. Und meine Flinte steht im Garten. Sie sichtet den Boden nach einem Stein. Zeb hat einen Stock in die Hand genommen.
    Sankt Dian, Sankt Francis, Sankt Fateh Singh Rathore: Gebt mir eure Kraft und Weisheit. Sprecht mit ihnen. Mögen sie sich von uns abwenden und ihr Fleisch von Gott erbitten.
    Aber nein, es ist kein Tier. Da, eine Stimme: Es sind Menschen. Gegen Menschen gibt es kein Gärtnergebet. Painballer – sie wissen nicht, dass wir hier sind. Was sollen wir tun? Laufen? Nein, sie sind schon zu nah dran. Raus aus der Schusslinie. Wenn möglich.
    Zeb ist vor ihr stehengeblieben, er schiebt sie mit einer Hand zurück. Bewegungslos steht er da. Dann lacht er.

Knochenhöhle
    Aus dem Gebüsch tritt Swift-Fuchs und zupft sich ihr rosa-blau gemustertes Laken zurecht. Hinter ihr kommt Crozier, der sich auf ähnliche Weise in Ordnung bringt, wobei er ein dezentes schwarzgrau gestreiftes Laken trägt.
    »Hallo Toby. Hallo Zeb«, sagt er übertrieben lässig.
    »Macht ihr einen Spaziergang, ihr beiden?«, fragt Swift-Fuchs.
    »Wir sind auf Bienenjagd«, sagt Zeb. Er wirkt neutral. Vielleicht hatte ich ja Unrecht, denkt Toby: Er hat gar keine Besitzansprüche an sie, es ist ihm egal, dass sie sich gerade mit Crozier im Unterholz vergnügt hat.
    Und was Crozier anbelangt, war der nicht eigentlich hinter Ren her? Oder hat sich Toby auch da wieder geirrt?
    »Bienenjagd? Wirklich? Na klar, wenn’s hilft«, sagt Swift-Fuchs lachend. »Wir sind auf Futtersuche. Wir suchen Pilze. Wir haben gesucht und gesucht. Auf Händen und Knien, überall. Aber wir haben keinen einzigen Pilz gefunden, stimmt’s, Crozier?«
    Crozier schüttelt den Kopf und blickt zu Boden. Er macht den Eindruck, als wäre er auf frischer Tat ertappt worden.
    »Bis dann«, sagt Swift-Fuchs. »Fröhliches Bienenjagen.« Sie steuert auf das Lehmhaus zu, und Crozier dackelt hinterher.
    »Dann mal los, du Bienenkönigin«, sagt Zeb zu Toby. »Lass uns dein Zeug holen. Ich bring dich nach Hause.«
    In einer idealen Welt hätte Toby eine Langstroth-Magazinbeute komplett mit beweglichen Rähmchen. Sie hätte sie längst parat, für den unwahrscheinlichen Fall, einen Schwarm zu finden; aber aus mangelnder Weitsicht hat sie nichts dergleichen getan. Sie hat keine richtige Beute, was könnte sie also nehmen, das die Bienen anspricht? Eine geschützte Höhle muss es sein, mit einem Durchgangsloch; trocken genug, kühl genug, warm genug.
    Rebecca gibt ihr einen Styropor-Sektkühler; knapp unter dem oberen Rand bohrt Zeb ein Loch hinein, dazu mehrere kleinere

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