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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Hände am Handtuch neben der Pumpe. Langsam, um nachdenken zu können. »Seid ihr sicher?«
    »Sie hat auf den Streifen gepinkelt«, sagt Lotis Blue. »Der Test war positiv. Auf dem Scheißding war ein Smiley.«
    »Ein rosa Smiley! Dieser Test ist so gemein! Ist das nicht grässlich!«, sagt Ren. Sie fängt an zu weinen. »Sie kann dieses Baby nicht kriegen, nicht nach allem, was die mit ihr gemacht haben! Nicht mit nem Painballer als Vater!«
    »Sie läuft durch die Gegend wie ein Zombie«, sagt Lotis Blue. »Sie ist wahnsinnig deprimiert. Deprimierter geht’s nicht.«
    »Ich red mit ihr«, sagt Toby,
    Die arme Amanda. Wie könnte man von ihr verlangen, das Kind eines Mörders zur Welt zu bringen? Das Kind ihrer Vergewaltiger, ihrer Peiniger? Wobei da noch eine andere Möglichkeit war, was den Vater anbelangt. Sie erinnert sich an die Blumen, den Gesang, die ekstatisch verschlungenen Arme und Beine der Craker im Licht des Lagerfeuers an jenem chaotischen Sankt-Juliana-Abend. Was, wenn Amanda einen kleinen Craker im Bauch hat? Einen halben Craker? Ist das überhaupt möglich? Ja, es sei denn, sie wären eine ganz und gar andere Spezies. Aber wenn ja, wäre das nicht gefährlich? Entwicklungstechnisch ticken die Craker ganz anders, sie wachsen viel schneller. Was, wenn das Baby zu schnell groß wird und nicht aus ihrem Bauch herausfindet?
    Ist ja nicht so, dass es an jeder Ecke ein Krankenhaus gäbe. Es gibt ja nicht mal Ärzte. Was die medizinische Versorgung angeht, wird das Ganze eher wie eine Steinzeitgeburt anmuten.
    »Sie ist drüben bei den Schaukeln«, sagt Lotis Blue.
    Amanda sitzt auf einer der Kinderschaukeln und bewegt sich langsam hin und her. Sie ist etwas zu groß für die Schaukel; sie sitzt dicht über dem Boden und ihre Knie ragen unbeholfen in die Höhe. Dicke Tränen laufen ihr übers Gesicht.
    Um sie herum stehen drei Crakerfrauen und berühren ihre Stirn, ihre Haare, ihre Schultern. Sie alle schnurren. Elfenbein, Ebenholz und Gold.
    »Amanda«, sagt Toby. »Es ist alles gut. Alle werden dir helfen.«
    »Ich wünschte, ich wär tot«, sagt Amanda. Ren bricht in Tränen aus, fällt auf die Knie und wirft ihre Arme um Amandas Taille.
    »Sag das nicht!«, sagt sie. »Wir sind so weit gekommen! Du darfst jetzt nicht aufgeben!«
    »Ich will dieses Ding nicht in mir haben«, sagt Amanda. »Kann ich nicht irgendein Gift trinken? Irgendwas von deinem Pilzzeug?« Zumindest ist da noch ein Rest Energie, denkt Toby. Und sie hat recht, es gibt bestimmte Pflanzen, die früher dafür verwendet wurden. Sie erinnert sich, dass Pilar von bestimmten Samen und Wurzeln erzählt hatte. Wilde Möhre, Nachtkerze. Aber mit den Mengen kennt sie sich nicht aus: So etwas auszuprobieren wäre viel zu riskant. Und wenn es ein Crakerbaby ist, kann es ohnehin sein, dass die Wirkung fehlschlägt. Die MaddAddamiten behaupten, sie hätten eine andere biochemische Zusammensetzung.
    Die elfenbeinfarbene Crakerfrau hört auf zu schnurren. »Diese Frau ist nicht mehr blau«, sagt sie. »Ihre Knochenhöhle ist nicht mehr leer.«
    »Warum ist sie traurig, o Toby?«, fragt die goldfarbene Frau. »Wir sind immer glücklich, wenn unsere Knochenhöhle gefüllt ist.«
    Knochenhöhle. So sagen sie dazu, irgendwie schön, und trifft die Sache, aber alles, was sich Toby im Moment vorstellen kann, ist eine Höhle voller abgenagter Knochen. Und genau so muss sich Amanda fühlen: lebendig und doch tot. Was kann Toby tun, um ihr diese Last von den Schultern zu nehmen? Nicht viel. Messer und Seile von ihr fernhalten, für ständige Begleitung sorgen.
    »Toby«, sagt Ren. »Kannst du nicht …«
    »Nein«, sagt Toby. »Dazu fehlt mir das Wissen.« Es war die Hebamme Maruschka, die bei den Gärtnern Gynäkologin und Geburtshelferin war. Toby selbst hatte sich immer nur um Krankheiten und Verletzungen gekümmert, aber mit Maden, Wickeln und Blutegeln kommt man hier nicht weiter. »Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm«, fährt sie fort. »Vielleicht ist der Vater ja gar kein Painballer. Du weißt doch, der Abend am Lagerfeuer, an Sankt Juliana, als Amanda überfall…, als es dieses kulturelle Missverständnis gab? Es könnte ein Crakerbaby sein.«
    »Na super«, sagt Ren. »Tolle Auswahl! Entweder ein Schwerverbrecher oder ein gengespleißtes Monster. Sie war übrigens nicht die Einzige mit dem kulturellen Missverständnis, oder wie hast du das gerade genannt? Ich könnte genauso gut so ein Frankenstein-Baby im Bauch haben. Ich hab einfach nur

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