Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
Vom Netzwerk:
an meiner Lippe. Koste die Erinnerung seines Geschmacks aus.
    Ich bin sicher, dass er mich versorgen kann.
    Vielleicht hatte Mrs. Hilliard doch nicht recht.
    Vielleicht gehe ich mehr nach meinem Vater als sie mir zutraut.
    Vielleicht bin ich ebenso süchtig nach einem gewissen Geschmack auf den Lippen wie er.

WILL
    HIER DRAUSSEN GIBT ES überhaupt nichts. Nichts, wo man anhalten, etwas zu essen kaufen oder sonst was tun könnte. Für mich ist das okay. Ich könnte nichts essen, selbst wenn ich wollte. Es ist zwei Stunden her, seit wir an einem Rastplatz vorbeigekommen sind, seit dem Kampf, aber mein Magen ist so schwer, als hätte ich tagelang nonstop gefuttert. Außerdem bin ich müde. Und habe es satt, Auto zu fahren und voranzukommen und gegen das Ding anzukämpfen, das mich ertränken will. Ich weiß, ich sollte mich um Zoe kümmern, herausfinden, ob sie hungrig ist, aber ich weiß nicht, was ich tun soll, falls sie es wirklich ist.
    Sie hat das Gesicht zum Fenster gedreht und lange Zeit nicht mit mir geredet, und ich will nicht, dass sie nichts sagt.
    Da vorne ist eine Abzweigung, eine Sackgasse, als hätte jemand begonnen, eine Straße zu bauen, es sich dann aber anders überlegt. Jetzt halte ich, schalte die Scheinwerfer aus, das Licht im Innern lasse ich aber brennen, dann steige ich aus. Ich weiß, hier draußen ist es kalt, mein Gehirn weiß das, aber mein Körper spürt die kühle Luft nicht. Ich könnte hier stehen und erfrieren und wüsste nicht mal, was da mit mir passiert, bis mich das Höllenfeuer wieder auftaut.
    Was verdammt noch mal habe ich vorhin nur getan? Zoe so zu behandeln. Als wäre sie nicht das Allerwichtigste in meinem Leben. Habe uns in Schwierigkeiten gebracht. Will ich etwa, dass die Cops gerufen werden? Will ich, dass jemand weiß, wohin wir fahren? Reicht es mir nicht, ein Auge auf der Straße vor uns und das andere auf der Straße hinter uns zu haben?
    Da ist so viel, was uns drankriegen kann. Das mich drankriegen kann. Ich habe gewartet, bis Shelly ihre Kreditkarte vor mir benutzt hat. Bis ich ihre PIN-Nummer gesehen habe. Vor drei Tagen habe ich dann ihre Karte genommen. Habe zwei Tage hintereinander das Fünfhundert-Dollar-Maximum ausgeschöpft, bis die Karte nicht mehr funktioniert hat. Sie hat gemerkt, dass sie verschwunden ist – die Karte, ihr Geld. Ich weiß nicht, ob sie wusste, dass ich es war. Aber ich habe den zusätzlichen Tausender gebraucht neben dem, was ich gespart habe.
    Zoe ist noch nicht volljährig, und egal, wie sehr sie von dort wegmusste, sie werden es Entführung und Diebstahl nennen, und wenn ich geschnappt werde, dann sind wir beide am Arsch. Weiterfahren. Immer in Bewegung bleiben. Nicht stehen bleiben, um uns nicht noch mehr Schwierigkeiten einzubrocken. Nicht stehen bleiben. Das sage ich mir immer und immer wieder.
    Weitermachen.
    Weiterfahren.
    Wir müssen fort von hier.
    Ich gehe ein Stück weg und pinkle in den Dreck. Hier draußen riecht es nach Vieh, und ich frage mich, ob es eine Mästerei in der Nähe gibt. In der Nähe von Mästereien hängt einfach der widerlichste Gestank in der Luft.
    Ich laufe zurück zu Zoe, schließe leise die Tür hinter mir und versuche, ganz tapfer zu lächeln. Denn ich muss das für sie tun. Ihr das zeigen. Dass wir von hier wegkommen. Dass ich dieser bessere Mensch sein werde, den sie braucht.
    »Ich kann’s besser machen.«
    Sie nickt.
    Nickt auf dieselbe Art wie damals, als ich zum ersten Mal mit ihr gesprochen habe. Damals, als ich sie gefragt habe, ob es jemanden gibt, den ich für sie vermöbeln soll. Eigentlich habe ich gedacht, dass sie mich auslachen würde, aber sie hat genickt, ganz traurig. Ich hätte nicht gedacht, dass sie nicken würde, aber sie hat es getan, und zwischen uns hat es einfach … gefunkt. Ein plötzlicher Funke, den ich nicht erklären kann.
    Und danach, da hab ich sie gebraucht. Aber vielleicht braucht sie mich nicht so, wie ich sie brauche. Vielleicht wäre sie ohne mich besser dran.
    »Du tust so, als wäre ich perfekt, Will. Das bin ich nicht. Ich bin so verkorkst«, beginnt sie. Ich stupse den Rückspiegel an. Drehe ihn, damit ich sie beim Reden darin sehen kann. »Du musst mir nichts beweisen. Ich gehe nirgendwo hin. Aber du musst einen anderen Weg finden, mit deiner Wut umzugehen. Oder überhaupt nicht wütend werden.«
    »Denkst du etwa, das versuch ich nicht? Ich versuch es die ganze verd… die ganze Zeit. Es ist …«, sage ich und knete das verschlissene Leder am Lenkrad.

Weitere Kostenlose Bücher