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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
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mit dem Kinn zu dem Poster des van-Gogh-Gemäldes, das in einem goldenen Rahmen über dem Bett hängt.
    »Passt zu deinem Wagen.«
    »Autsch.« Er lädt unsere Sachen vor dem Heizkörper ab, trottet zu mir, umfasst meine Taille und drückt seine Knie an meine, damit ich mich an ihn lehnen kann. »Mein Auto ist ein Schmuckstück. Oder wird es irgendwann mal sein, wenn ich mit ihm fertig bin. Aber dieses Zimmer? Ein Drecksloch.«
    »Es riecht nicht nach verwesenden Leichen.«
    »Ist ja schon mal was.«
    Wir stehen eine Weile so da, trennen das Trost spendende von allem Unangenehmen. Sein Geruch, sein gleichmäßiger Atem, seine Arme sind vertraut und beruhigend. Die abgestandene Luft, das Bett, die Erwartungen, die nagen an meinem Hinterkopf und lassen meine Kehle trocken zurück.
    »Alles okay?«, frage ich.
    Er nickt. »Ich wünschte, ich könnte singen. Oder Gitarre spielen oder tanzen oder so was. Hm, nein, nicht tanzen . Ich würde dir ein Lied schreiben und es für dich spielen.«
    »Du musst mir kein Lied schreiben. Du beeindruckst mich auch so schon genug.«
    Er umfasst meinen Kopf und drückt seinen Mund auf meine Stirn. Ich schließe die Augen.
    »Ich könnte hier ewig stehen«, sagt er.
    »An diesem Ort? Diesem ach-so-stylishen Motelzimmer?«
    »Darum geht’s doch. Es spielt keine Rolle, wo wir sind.«
    Eine Stille breitet sich im Zimmer aus, dick wie Streichrahm. Sie drückt uns nieder, als wollte sie in unsere Lungen kriechen und uns an einen Ort bringen, wo die Welt friedvoll und ruhig ist, und das nur für uns. Ich höre meinen Atem, kurze Züge durch meine Nase, erfüllt von seiner Haut, seiner Kleidung, seiner Umarmung.
    Meine Lippen sind auf gleicher Höhe mit seinem Schlüsselbein, und ich drücke die Nase unter sein Hemd, um die Wärme dort zu spüren.
    »Wir sind abgehauen«, murmle ich an seinen Hals. »Frei. Wir müssen niemals zurück.«
    »Und niemand folgt uns. Wir haben es so weit geschafft. Wir fahren einfach weiter. Wir schaffen es so weit, wie wir wollen.«
    »Ich kann es gar nicht erwarten, uns ein Zuhause zu suchen. Erinnerst du dich, als du mich gefragt hast, ob ich mit dir komme?«
    »Ich werde nie vergessen, wie du mich angeschaut hast, wie ein kleines Tier im Zoo, das unbedingt aus seinem Käfig entkommen wollte.«
    Ich zwicke ihn, und seine Arme halten mich fester. »Das bin ich. Das eingesperrte Tigermädchen.«
    »Ich will dich einfach nur glücklich machen. Und alles über das Tigermädchen erfahren, das du bisher vor mir verborgen hast.«
    Ich lache, und er zieht uns aufs Bett, wo wir mit dem Gesicht zueinander daliegen. »Und das erste Mal, als ich mit dir zu Mittag gegessen habe?«
    »Gegessen? Du hast dagesessen und hast uns angestarrt, als hätten wir vor, dich zum Mittagessen zu rösten. Du hast überhaupt nichts gegessen.«
    »Ich war so nervös.«
    »Ich erinnere mich noch, was dein Dad getan hat, als er herausfand, dass du einen halben Tag Schule geschwänzt hast, nur um mich zu sehen.«
    »Darüber will ich nicht reden. Darüber will ich nie mehr nachdenken.«
    »Das war der Moment, als mir zum ersten Mal der Gedanke gekommen ist, dich da rauszuholen.«
    »Du kanntest mich doch gar nicht!«
    »Du hattest etwas an dir, als hätte ich dich schon immer gekannt. Als wären wir füreinander bestimmt oder so was. Selbst wenn man nicht ans Schicksal oder Seelenverwandte oder all das Zeug glaubt, habe ich trotzdem das Gefühl, dass da irgendwas zwischen uns ist.«
    »Da spricht allein die Lust aus dir«, necke ich ihn.
    Er zieht mich näher an sich und wirft sein Bein über meine Hüfte, schlingt sich um mich wie eine Decke. »Meine Lust hat dir viel zu sagen. Willst du’s hören?«
    »Solange sie mir nicht ins Ohr schreit.«
    »Das sollte ich schaffen«, flüstert er, während er mein Gesicht berührt und mich unter sich begräbt. »Ich kann so sanft sein, wie du willst.«
    Seine Lippen streichen zärtlich über meine, ganz kurz, bevor er den Kopf hebt. Ich bin überrascht. Ich hatte mehr erwartet. Mehr Küsse, mehr Berührung, mehr Erwartung und Druck. Aber er sieht mich an, als wäre ich ein kostbarer Edelstein, den er gerade vom Boden aufgehoben hat und den er einstecken und behalten will. Ich liebe diesen Blick in seinen Augen, auch wenn ich mich am liebsten verstecken würde, an seiner Schulter, unter ihm, in einem schwarzen Loch.
    Es ängstigt mich. Die Dinge, die ich vor einer Woche für real hielt, Gefühle, die sich so groß anfühlten, so überwältigend, wirken

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