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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
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kreischte. Sie haben die ganze Zeit gebrüllt. Die ganze Zeit. Sie wollten nicht angefasst werden. Sie wollten nicht gefüttert werden. Und sie war immer geduldig und ruhig, keine Ahnung, wie sie das gemacht hat.«
    Warum erzähle ich ihr das? Warum sieht sie mich an, als wollte sie es wissen? Das hier will sie nicht wissen. Aber mein Mund bewegt sich wie von selbst, als hätte ich keine Kontrolle mehr über ihn.
    »Ich hab fast ein Jahr bei ihnen gewohnt. Hab eine Menge komischer Eintöpfe gegessen, aber das war in Ordnung. Mr. Tucker wollte immer, dass ich ihn Tom nenne, als könnten wir Kumpel sein. Und das waren wir, irgendwie. Er hat von zu Hause aus Computerzeug gemacht, hat mir gezeigt, wie man einen Computer auseinanderbaut und ihn wieder zusammensetzt. Hat versucht, mir Programmiersprachen beizubringen, es dann aber schon bald wieder sein lassen. Irgendwie ein Nerd, aber cool. Ich dachte … ich dachte, dass es das Leben vielleicht einmal gut mit mir meint, verstehst du?«
    Ich spüre, wie ihre Finger an meiner Ohrmuschel entlanggleiten. Das versetzt mich in Trance, und ich kann nicht aufhören zu reden.
    »Nun ja, es war ein Samstag im Oktober, und Tom war losgefahren und hat den Minivan mit Feuerholz gefüllt. Es war überall im Auto gestapelt, bis zu den Fenstern hoch, einfach überall. Er hatte in der Auffahrt geparkt, denn er musste es draußen auf der Längsseite des Hauses abladen. Ich wollte ihm dabei helfen, aber dann hat er einen Notfallanruf von einem Kerl bekommen, für den er gearbeitet hat, und wir mussten es auf später verschieben. Draußen war’s schön, und Toby, der andere Junge, der bei uns gewohnt hat – er war fast so alt wie ich –, meinte, wir sollten den Van zurücksetzen und einen Tennisball gegen die Garagentür werfen. Butts up , schon mal von gehört?«
    Ich warte, dass Zoe den Kopf schüttelt, bevor ich weitererzähle. Tue alles, um das Ende hinauszuzögern.
    »Da war auch noch ein anderes Kind.« Ich schlucke. Sein Name bleibt mir in der Kehle stecken, und ich bekomme ihn nur mit Gewalt heraus. »Ben … der kleine Ben. Er war zwei. Er war ein Meth-Baby, aber seit er bei den Tuckers war, hat er sich richtig gemausert. Das Gericht hatte ihn endlich zur Adoption freigegeben. Seine Mom hatte in zu vielen Schwierigkeiten gesteckt, also haben sie ihn ihr für immer weggenommen. Die Tuckers hatten den ganzen Papierkram und die Besuche und alles hinter sich, damit sie ihn behalten können. Sie wollten ihn adoptieren, verstehst du? Nicht jedes Kind landet im Heim. Ich war ein bisschen eifersüchtig. Vielleicht sogar ziemlich eifersüchtig. Ich meine, ich wurde nie zur Adoption freigegeben, weil sie meine Mom nie gefunden haben. Nicht dass ich die meisten Familien, in denen ich gelebt habe, gerne behalten hätte. Oder dass eine von ihnen gern einen Teenager behalten hätte. Alles, was sie wollten, waren Babys. Das ist schon in Ordnung. Aber trotzdem.«
    Es ist dunkel, aber ich schließe trotzdem die Augen. Ich brauche eine dunklere Schwärze als die hier.
    »Da war also dieser Ben, ein süßer Knirps, der überall rumgewuselt ist, und diese zwei verkorksten Wichser hatte, zu denen er hochschaut. Er will mit uns spielen, aber ich will ihn in dem Moment nicht bei mir haben. Er konnte doch nicht mitspielen, verstehst du? Und ich hab mich nicht als großer Bruder gefühlt. Ich hab ihm gesagt, er soll die Fliege machen. Das hat ihn irgendwie hart getroffen, er hat wahrscheinlich nicht verstanden, was genau ich gesagt habe, aber den Sinn schon. Er ist weggelaufen. Ich dachte, er wäre im Haus.«
    Ich packe Zoe an den Schultern. Ich brauche etwas, an dem ich mich festhalten kann. Sie muss einen Teil des Schmerzes fühlen, wenn sie mich verstehen will. Ich dachte, Ben wäre im Haus.
    »Ich steige also in den Van, lege den Leerlauf ein. Toby gibt dem Wagen einen Stoß, und das ganze Gewicht vom Holz schiebt das Auto aus der Auffahrt. Und dann war da ein Huckel.«
    »Nein«, ruft sie erstickt. »Erzähl nicht weiter.«
    »Du wolltest es wissen. Du musst es hören.«
    »Bitte nicht.«
    »Er war da. Ben. Genau hinterm Auto. Ich dachte, er wäre im Haus. Das war er nicht. Er hat sich hinterm Minibus versteckt, als ich so arschig zu ihm war.« Zoe versucht, sich von mir wegzuwinden, aber ich halte sie fest. Diese Sache muss sie mit mir durchstehen. »Ich habe ihn nicht umgebracht. Er ist nicht tot. Aber seine Beine. Die Reifen sind genau über ihn rübergerollt.«
    Ein dumpfer Schmerz macht sich

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