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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
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langsam in meinen Beinen breit, als würde der Minibus über meine Beine rollen, aber von innen heraus.
    »Ich hab seine Beine zerquetscht … Ich hab seine kleinen Beinchen zerquetscht.« Meine Beine zittern. »Er kann nicht mehr gehen … wegen mir.«
    Ich umklammere sie immer noch, und ich weiß, wie verzweifelt sie sich befreien will. »Du willst über ein abgefucktes Leben sprechen? Wie wäre es damit: Ein Kind, das drogenabhängig auf die Welt kommt, und dann, wenn die Dinge gerade gut werden, kommt ein Arschloch daher«, ich mache ein Geräusch, da es kein Wort gibt, das schlimm genug ist, »fährt dir über die Beine und befördert dich für den Rest deines beschissenen Lebens in den Rollstuhl.«
    »Du hast es nicht gewollt.« Sie bekommt die Worte kaum über die Lippen, und ich kann sie fast nicht hören. Ihr Gesicht hat sie an mir vergraben, als könnte sie sich so vor mir verstecken.
    »Das haben die Tuckers auch gesagt. Mrs. Tucker hat Ben gehalten, bis der Notarzt da war. Ben hat geschrien. Und sie hat ihn gehalten, genau wie sie all die Babys immer gehalten hat.« Mein Griff um Zoes zitternde Schulter lockert sich. »Und sie hat gesagt, es war ein Unfall. Aber sie hat geweint … konnte nichts dagegen tun. Und ich habe sie noch nie zuvor weinen gesehen. Nicht, als diese Babys zwei Tage am Stück gebrüllt haben und sie kaum mehr aufrecht stehen konnte, nichts. Ich habe sie zum Weinen gebracht und Bens Leben zerstört. Weil ich dumm und selbstsüchtig gewesen bin. Er war zwei. Und kurz davor, ein gutes Leben zu bekommen. Um mich herum passieren schlimme Dinge. Wegen mir passieren schlimme Dinge.«
    »So ist das nicht.«
    »Hör mir zu, Zoe. Ich mach einfach alles kaputt. Ich hätte nachsehen müssen, wo er steckt. Verdammt, ich hätte überhaupt nicht in diesem blöden Minibus sein dürfen. Ich war dreizehn. Ich wusste nicht, was zum Teufel ich da überhaupt tue.«
    »Du hast es nicht gewollt«, wiederholt sie. »Und es ist schon so lange her.«

ZOE
    ICH HABE IHN GEZWUNGEN , es mir zu erzählen, also verdiene ich wohl diese schwere, flüssige Schwärze in meinem Magen.
    Aber er hat es nicht verdient, sich so zu fühlen, wie er sich jetzt fühlt, wie er sich vor all den Jahren gefühlt hat. Nicht schon wieder. Es ist meine Schuld, weil ich ihn seine Erinnerung nicht für sich habe behalten lassen. Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis von eben, es erzählt zu bekommen und ihm beweisen zu können, dass er mich nicht abschrecken kann, und dem Wunsch, er könnte es wieder in sich einsaugen, wie Staub, der sich dann am Boden seiner Lungen absetzt.
    »Das verändert nicht das Geringste.« Ich drücke mich wieder an ihn, diesmal nicht, weil ich das Gefühl habe, ich müsste mich verstecken, sondern weil ich Will so nah wie möglich sein möchte. Ihm zeigen will, dass ich nicht vor ihm wegrennen will, dass mir nicht einmal ein solcher Gedanke in den Sinn gekommen ist.
    Weil er es nicht ist.
    »Willst du mir noch etwas erzählen?«
    Er stößt ein ungläubiges Seufzen aus.
    »War das denn nicht genug?«
    »Ich meine, gibt es da noch etwas, das du … bewältigen musst?«
    »Das ist keine Therapiestunde, Baby.«
    »Rede nicht so mit mir! Als wärst du etwas Besseres als ich.«
    »Ich?« Seine Stimme ist schrill, dann wieder tief. »So ist das kein bisschen. Ich hab mich nie für was Besseres als du gehalten. Ich mein, so klug wie du bist … Ich will einfach nur weitermachen, verstehst du?«
    »Ich doch auch.«
    »Willst du immer noch bei mir bleiben? Nach allem, was ich dir erzählt habe?«
    »Das hat nichts verändert, Will. Das ist vor so langer Zeit passiert. Und es war ein Unfall. Wir müssen lernen, wie man … keine Ahnung … lebt. Diese Dinge überlebt.«
    »Überleben. Ja. Aber nicht nur das.« Er holt tief Luft und bläst sie wieder aus, fest, als würde er einen Dämon davonjagen. »Ich meine, wirklich leben, selbst wenn uns alles im Nacken sitzt. Bist du bereit, wirklich zu leben?«
    Ich nicke, und da springt er auf die Beine, zieht mich mit sich hoch. »Wann war das letzte Mal, dass du auf deinem Bett herumgehüpft bist?«
    Ich versuche, das Gleichgewicht zu halten, überrumpelt von seiner Frage, seiner Schnelligkeit. Es ist schon sehr lange her, seit ich auf einem Bett gehüpft bin. Ich habe es einmal probiert. Ein paar Monate, nachdem meine Mom gestorben war. Es war laut, und er konnte es unten hören und hat sich über den Lärm aufgeregt, und ich habe es nie wieder getan. Ich kann

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