Die Geschichte von Zoe und Will
während ich zur Ladentheke marschiere.
»Gibt es hier eine Toilette?«
Der Kerl hinter dem Tresen blickt mich mit gleichgültigen Augen an und reicht mir einen Schlüssel, der an einem Ruder befestigt ist. Es ist auffälliger als eine Neonreklame. Ich presse das Ungetüm, das fast einen Meter misst, an meine Brust, dann fällt mir ein, durch wie viele Händen das schon gegangen ist und halte es angewidert von mir weg.
»Wo …?«
Teilnahmslos zeigt der Verkäufer mit dem Daumen zur Ladentür.
Die Toilette befindet sich draußen, um die Ecke. Will grinst mir zu und lacht, als er sieht, was ich zum Damenklo mitschleppen muss. Ich ignoriere ihn und jeden, der sonst noch in meine Richtung schauen mag, und stoße einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich um die Ecke biege. Keine Menschenseele ist auf dieser Seite des Gebäudes.
Meine Freude darüber schwindet, als ich einen winzigen roten Fleck auf meiner Unterhose entdecke und mir ins Gedächtnis zu rufen versuche, ob ich Tampons eingepackt habe oder nicht. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, und Scham steigt in mir hoch. Nicht schon wieder. Ich kann Will nicht um Tampons bitten. Ich habe ihn noch nie um etwas so Persönliches gebeten.
Ich falte ein Stück Toilettenpapier zusammen und polstere meine Unterhose damit aus. Was allerdings nur eine Übergangslösung ist. Über dem Waschbecken befindet sich ein verkratzter Spiegel, und ich verfluche das Mädchengesicht, das mir entgegen starrt, während ich mir die Hände wasche. Wie lange kann ich reiben und Seifenschaum produzieren, bevor sich meine Hände im Abfluss auflösen und sich mit einem weit entfernten Ozean vermischen?
Ich nehme ein Extrastück Papierhandtuch und wickle es um den Griff des Ruders.
Will ist jetzt im Laden und probiert eine gestrickte Skimütze mit grünen und braunen Streifen an. Von den Ohrenklappen hängen Pompons herab, und er winkt mir mit ihnen, als er sieht, wie ich dem Kassierer den Schlüssel überreiche.
Ich lächle ihn an, kann mich aber nicht zu einem Lachen durchringen. In einem dieser Gänge muss das sein, was ich brauche.
Ich blicke zu Will. Er geht ein Stück weiter, zu einem Teil des Ladens, der dem Kunsthandwerk der Ureinwohner gewidmet ist. Ich beobachte, wie er die Federn eines Traumfängers anstupst.
Vielleicht im nächsten Gang.
Der Kassierer bedient eine Frau mit einem Kleinkind am Rockzipfel, das sie anschreit, ihm einen Schokoriegel zu kaufen.
Hier. Bei den Kopfschmerztabletten, Verbänden und Windeln. Nett. Genau die Dinge, mit denen ich in Verbindung gebracht werden will. Zur Auswahl stehen nur zwei Packungen, beide von derselben Marke. Normal oder super. Wenn ich die super nehme, überlege ich, kann ich sie länger benutzen. Ich hebe die Schachtel hoch und werfe einen Blick auf das Preisschild.
Ich lasse die Schachtel fallen. Zwölf Dollar sind ein Frühstück und ein Mittagessen! Jede Menge Benzin. Fast die Hälfte von dem, was wir für das Motelzimmer bezahlt haben.
Selbst wenn ich mich überwinden könnte, Will zu bitten, mir die Tampons zu kaufen, könnte ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass er so viel ausgibt. Wir brauchen jeden Cent für wichtige Dinge. Essen. Benzin, damit wir bis nach Vegas kommen, in die Freiheit.
Will steht vor den Kühlregalen, zieht ein in Plastik verschweißtes Sandwich heraus und inspiziert es.
Ich hole tief Atem, sinke auf den rissigen Linoleumfußboden neben der Schachtel Tampons und reiße sie mit zitternden Fingern auf. Das Geräusch gleicht einem explosionsartigen Feuerwerk in einer windstillen Nacht. Ich stopfe sie mir überall hin, in meinen BH, hinten in meine Hose, in meine Socken. Ich blicke nicht hoch. Wenn ich niemanden sehen kann, kann auch mich niemand sehen.
Ich habe die Hälfte der Schachtel geleert, als Hände meine Arme packen und mich auf die Beine reißen.
»Willst mich wohl bestehlen?«
Er schüttelt mich, und ich erstarre. Meine Gelenke werden steif, meine Muskeln verkrampfen, das Blut stoppt seinen Fluss zu meinem Gehirn, meinen Fingern, den Knöcheln. Er schüttelt mich wieder, als würde die Bewegung meine Zunge lösen und ich so antworten.
Er besteht ganz aus kleinen, dunklen Augen, und sein scharfer Geruch weht mir aufdringlich in die Nase. Er ist es. Er ist hier, er hat mich gefunden. Ich tue, was ich immer tue. Da ist dieser Raum, vier Wände, gestrichen in blassem Sonnenscheingelb, ohne Fenster. Dort verstecke ich mich. Ich bin steif wie ein Kanu, ein Schiff,
Weitere Kostenlose Bücher