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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
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stößt ein kehliges Geräusch aus. »Ich war also schuld.«
    Drei »Nein! « prasseln auf Will ein, aber es sind meine Augen, in denen er nach der Bestätigung sucht, dass er seine Mom nicht auf dem Gewissen hat. Ich berühre ihn am Handgelenk, und er blinzelt.
    »Nein, warst du nicht«, wiederholt Misty nun. »Das passiert vielen Frauen nach einer Geburt. Und für sie war es noch schlimmer, weil sie bereits Probleme hatte. Sie hat wochenlang im Bett gelegen. Konnte nicht aus dem Haus. Ist nicht ans Telefon gegangen. Ich bin jeden Tag gekommen, um nach euch zweien zu schauen. Ich weiß, sie hat darüber nachgedacht, was sie tun soll. Sie hat dich geliebt. Sie hat mir einen Brief geschrieben, mir lauter Dinge anvertraut. Den hab ich noch. Wenn du mich besuchen kommst, gebe ich ihn dir. Mom?« Julie hebt den Kopf, den sie mit ihrer Hand gestützt hat. »Schreib ihm meine Adresse und Telefonnummer auf. Will, du solltest mich so bald wie möglich besuchen kommen, ja?«
    »Das werd ich.«
    »Gut. Du kommst. Nicht vergessen. Ich will sehen, wie du jetzt aussiehst. Ich will diesen großen Unruhestifter sehen, der ständig in Schlägereien gerät. Und bring dein Mädchen mit. Wie heißt sie überhaupt?«
    »Zoe«, antwortet Will.
    »Du kommst doch auch, nicht wahr, Zoe?«, wendet sich Misty über die Freisprechanlage jetzt an mich.
    »Okay.«
    »Gut. Hast du meine Daten schon notiert, Mom?«
    »Pst, Kleines«, erwidert Julie. »Ich bin dabei. Du hast wohl keinerlei Respekt vor meinen arthritischen Händen.«
    »Du wirst alt. Du solltest bei mir wohnen.«
    »Wir haben uns lang genug gesehen, als du jünger warst. Vielleicht sollte ich lieber versuchen, Will zum Bleiben zu bewegen. Er und seine Freundin könnten sich um mich kümmern.«
    Ein Gefühl der Wärme steigt in meine Wangen, und Will legt den Arm um mich.
    »Wir fahren runter nach Vegas. Eigentlich müssen wir auch gleich los.«
    Julie mustert uns eindringlich und zeigt mit ihrem Stift auf mich. »Ist sie denn alt genug dafür? Verdammt, wahrscheinlich dürfte sie überhaupt nicht von zu Hause weg sein. Du hast sie doch nicht gekidnappt, oder?«
    »Natürlich nicht«, rufe ich aus, als mich Will fester an sich presst.
    »Na schön, na schön. Hier.« Sie reicht Will das Stück Papier. »Es ist vollbracht, Misty. Du kannst jetzt auflegen.«
    »Gut. Ihr kommt mich besuchen, Will und Zoe. Denkt dran, ihr habt es mir versprochen.«
    »Das werden wir«, sagt Will, aber in seiner Stimme schwingt ein abwesender Tonfall mit, als würde er nicht darüber nachdenken, was er gerade sagt, sondern über etwas, das längst gesagt worden ist.

WILL
    WIR VERABSCHIEDEN UNS , obwohl Julie will, dass wir zum Abendessen bleiben. Zoe ist bei dem »Nein danke«-Teil besser als ich. Ich steige im Lauf ihrer Unterhaltung immer wieder aus. Julie, die versucht, uns zum Bleiben zu bewegen, und Zoes nettes, aber entschlossenes Nein, und dann versucht es Julie noch mal. Am Ende sitze ich auf dem Fahrersitz des Autos, mit meinen Fingern am Schlüssel und dem Schlüssel im Zündschloss, und alles, woran ich denken kann, ist: Wie bin ich nur hier gelandet?
    »Geht’s dir gut?«, fragt Zoe, nachdem sie den Sicherheitsgut angelegt hat.
    »Mir? Alles okay.« Ich drehe den Schlüssel und höre, wie der Wagen mit einem Knurren zum Leben erwacht. Das Geräusch bringt mich zurück ins Leben. »Ja, mir geht’s gut.«
    »Du hast jetzt ganz schön was zu verdauen. Bist du sicher, dass alles okay ist? Ich kann fahren, wenn du lieber … ein bisschen nachdenken willst.«
    Ich weiß nicht, ob mir die Dinge zu schaffen machen, die Julie über mein Mom gesagt hat. Schulde ich ihr irgendwas? Schulde ich ihr Verständnis oder Mitleid oder auch nur einen einzigen verdammten Gedanken? Sie hat mich einfach aus ihrem Leben gestrichen. Ich denke, ich hab dasselbe mit ihr gemacht, aber jetzt frage ich mich, ob ich nicht noch ein paar Stunden länger in dieser Stadt bleiben sollte, um mehr über die Frau zu erfahren, von der ich versucht habe, so zu tun, als hätte sie nie existiert.
    Ich beuge meinen vernarbten Unterarm, und die Flecken heller Haut auf dunklerer Haut spannen sich über den Muskeln. Und auf einmal frage ich mich, wie wohl ihre Arme aussehen.
    Ich zucke mit den Schultern, dann lache ich, damit Zoe sich keine Sorgen macht. »Mir geht’s gut. Nein, ich meine, es war cool, mit Misty zu sprechen und Julie zu sehen. Sie haben wirklich tolle Dinge gesagt, nicht wahr?« Ich fühle mich dumm, weil ich so was

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