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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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eine gerichtliche Untersuchung geben, Verhöre. Sie werden vorgeladen.«
    »Nicht nur ich«, sagt Burage ziemlich ruhig, ohne sich jedoch wieder zu setzen. »Pierce, Smith, Grabel. Es ist schwer vorstellbar,
     daß man uns nicht der Komplizenschaft verdächtigen wird.«
    »Ihnen hätte entgangen sein können, daß meine Berichte an Barrow den Stand unserer Forschungsarbeit untertrieben.«
    »Und ich sollte Ihre Tests nicht kennen? Ich, die ich für die Hunde verantwortlich bin?«
    Ich denke nach.
    »Ich könnte vor meiner Flucht einen völlig wahrheitsgetreuen Bericht verfassen, in dem jedoch die Reihenfolge der Experimente
     gefälscht ist. Und Sie könnten es vielleicht so einrichten, daß Sie Barrow diesen Bericht am Tage meiner Flucht geben. Er
     wird Ihnen als Alibi dienen. Ihnen und der Gruppe.«
    |280| »Ja«, bestätigt sie kopfnickend, »das ist eine Idee.«
    Daraufhin sieht sie mich mit einem unbeschreiblichen Ausdruck an und schweigt.
    »Wann soll ich nach den Plänen des
Wir
fliehen?« frage ich nach einer Weile.
    Ihr Gesichtsausdruck wird hart.
    »So schnell wie möglich.«
    Ich weiß im Augenblick nicht, was ich von ihrem Gesichtsausdruck halten soll, und da mich das anhaltende Schweigen verlegen
     macht, glaube ich, mich mit einem Scherz aus der Affäre ziehen zu müssen.
    »Na gut, bald werden Sie von einem abstoßenden Kater befreit sein«, sage ich.
    Aber ich habe ganz offensichtlich auf die falsche Karte gesetzt. Ihr Gesicht zuckt, als hätte ich sie geohrfeigt. Sie wird
     blaß. Und staunend sehe ich ihre Lider zittern und Tränen in ihre Augen schießen. Sie dreht sich um und geht wortlos und steif
     auf die Tür zu.
    »Burage!« sage ich und stehe auf.
    Sie geht hinaus. Aber sie hat die Tür nicht zugeknallt. Oh, nein, ich kenne doch meine Burage. Auch wenn sie ihrer Gefühle
     nicht Herr ist, so behält sie doch wenigstens die Kontrolle über ihre Nerven. Die Tür fällt sacht und geräuschlos ins Schloß.
     So wie man eine Buchseite wendet.
    Ich bleibe hinter meinem Schreibtisch stehen, mit leeren, herabhängenden Händen. Ich fühle mich allein.
     
    Seit meiner turbulenten Unterhaltung mit Burage am 9. Juni ist fast eine Woche vergangen. Was nicht heißen soll, daß ich nicht
     mehr mit ihr gesprochen hätte, weit gefehlt. So hat sie mich am Tage nach dem Gewitter unumwunden aufgefordert, ihr den Besuch
     von Bess und Ricardo in allen Einzelheiten zu schildern. Ich tat es, doch stellte ich mir die Frage, ob es sich von ihrer
     Seite nicht um masochistische Neugierde handelte. Aber keineswegs, ihre äußerste Aufmerksamkeit beim Zuhören und die in alle
     Einzelheiten gehenden Fragen, die sie mir anschließend stellte, überzeugten mich davon, daß es sich um eine Befragung handelte
     und daß alle von mir eingeholten Informationen an das
Wir
weitergeleitet würden.
    Am Freitag, dem 12., fand eine Durchsuchung in der Baracke |281| der alleinstehenden Frauen statt, und Sonnabend früh lag auf meinem Schreibtisch eine lakonische Mitteilung von Barrow, die
     mich wissen ließ, daß meine Assistentin Crawford, ich zitiere, »zu einem Lehrgang« delegiert worden sei. Ob ich sie zu ersetzen
     wünsche, fragt Barrow.
    In meiner Antwort gehe ich auf das Spiel ein. Ich äußere mein Erstaunen über diesen plötzlichen Weggang und protestiere dagegen,
     wenn auch mit Maßen, bedauere, daß Crawford mich nicht davon in Kenntnis gesetzt hat, und äußere den Wunsch nach ihrer Rückkehr.
     Doch angesichts des fortgeschrittenen Stadiums meiner Forschungsarbeit halte ich es nicht für nötig, sie zu ersetzen.
    Das aus zwei Gründen, die ich verschweige. Erstens bin ich der Meinung, daß aller Wahrscheinlichkeit nach der heuchlerisch
     angebotene »Ersatz« nicht gestellt wird. Und außerdem ziehe ich es vor, die Zusammensetzung der Gruppe, in der jetzt einer
     auf den andern eingespielt ist, nicht durch eine in jeglicher Hinsicht Unbekannte zu verändern. Nach Crawfords Fortgang sind
     wahrscheinlich keine Bespitzelungen mehr zu befürchten.
    Nachdem ich meine Antwort in bürokratische Formulierungen verpackt habe, damit Barrow sie versteht, will ich meinen Brief
     Burage zeigen und gehe in ihr Büro, da meine Sprechanlage nicht funktioniert. Seit meine Flucht nicht mehr nur eine ferne
     Möglichkeit, sondern ein vorrangiges Projekt geworden ist, hat Burage bei aller Energie, die sie immer noch besitzt, ihren
     Frohsinn und ihre Farbe eingebüßt. Und an diesem Morgen bemerke ich, ein wenig erstaunt, auch

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