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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ein wenig pikiert, daß sie nicht
     nur etwas Farbe bekommen hat und ihre Augen fröhlich sind, sondern daß ihr ganzes Wesen aufgelebt ist. Voller Bitterkeit sage
     ich mir, daß die Frauen nicht zu begreifen sind, weil diese Frau, der meine Anwesenheit so am Herzen zu liegen schien, sich
     schon mit dem Gedanken an mein Verschwinden ausgesöhnt hat. Während sie dann, mit einem verspielten Lächeln um den Mund, meinen
     Brief liest (ich sehe durchaus ein, daß Crawfords Abgang sie nicht in Trübsinn stürzt), irren meine Blicke in dem kleinen,
     spartanischen Raum umher, der fast nur ein Verschlag ist. Sie bleiben – genau über ihrem flammenden Haar – an einem knalligen
     Wandkalender hängen, der schon immer dort hing. Doch heute fällt mir etwas |282| Überraschendes auf. Um das Datum des 28. Juni – ein Sonntag – ist mit Farbstift ein roter Kreis gezogen worden.
    Burage hat ihre Augen überall: auf den Schultern, den Schulterblättern, im Nacken und auf der Schädeldecke. Während sie noch,
     über ihren Schreibtisch gebeugt, die bürokratischen Finessen meines Briefes genießt, fängt sie meine Überraschung und die
     Richtung meines Blickes auf, dreht sich um und begreift. Sie errötet sofort (kein Wunder bei solchem zarten Teint) und verrät
     ihre Verlegenheit durch die Anstrengung, sie zu verbergen, kommentiert überstürzt mein Schreiben an Barrow, spricht zu viel
     und zu schnell und steht schließlich ohne einleuchtenden Grund auf, wodurch sie mir den Kalender verdeckt, was sie wohl auch
     bezweckte.
    Als männliches und infolgedessen untergeordnetes Mitglied des
Wir
fühle ich mich zu einer gewissen Zurückhaltung genötigt. Ich stelle Burage deshalb keine Frage. Doch frage ich mich selbst:
     was soll am Sonntag, dem 28. Juni, so Bemerkenswertes geschehen, daß Burage um dieses Datum eigenhändig einen Kreis gezogen
     hat?
    Eine Stunde später gehe ich wieder in Burages Büro, weil ich eine Auskunft brauche. Ich bin so in meine Gedanken vertieft,
     daß ich erst, als ich schon mitten im Zimmer stehe, merke, daß Burage gar nicht da ist. Ich will mich zurückziehen, zögere
     aber. Irgend etwas hat sich in dem Zimmer verändert. Der knallige Kalender, der einzige Farbfleck in diesem kargen Raum, ist
     verschwunden. Und ich brauche nicht lange zu suchen: er liegt auf Burages Schreibtisch. Der rote Kreis um den 28. ist ausradiert
     worden. Aus der Nähe kann man es sogar noch sehen, Radiergummikrümel, Spuren der Mine.
    Gut. Auch danach werde ich nicht fragen. Ich will sogar versuchen, nicht mehr daran zu denken. Letzten Endes ist es nur ein
     weiteres kleines Geheimnis in der völligen Unfaßbarkeit Bluevilles. Im übrigen ist es Sonnabend, Helsingforth hatte für heute
     ihre Rückkehr angekündigt. Und dieser Gedanke nimmt mir den Appetit, als ich in Richtung Cafeteria zum Lunch gehe.
    Dave ist schon vorausgegangen und hat sich zu seinen kleinen Freunden an den Tisch gesetzt, neben die von ihm bevorzugte Joan
     Smith, die in der Tat bemerkenswert rund ist.
    Während ich mit meinem karg bestückten Tablett in der Hand einen Platz suche, macht mir zu meinem großen Erstaunen |283| Mutsch ein Zeichen, mich an ihren Tisch zu setzen. Ich finde zwischen ihr und Stien einen freien Stuhl, den sie möglicherweise
     für mich reserviert hatte. Die unerklärliche Verstimmung ist vorbei, ich bin wieder in Gnaden aufgenommen. Mutschs rundes,
     von weißem Haar gerahmtes Gesicht fließt über vor Herzlichkeit für mich, und selbst Stien läßt ein freundschaftliches Gegrunze
     in meine Richtung hören, während er sich aufgebracht über das schlechte Wetter beklagt. Wenn man ihn so hört, könnte man fast
     glauben, daß selbst die Temperatur rassistisch sei. Trotz seiner weißen Mähne hat Stien seinen Hut aufbehalten – wegen des
     »Luftzugs«, erklärt er – und um seinen Hals den von seiner Frau gestrickten Schal geschlungen, der mir sehr grob gestrickt
     scheint, aber ausschlaggebend ist ja der Zusammenhang. Und dieser Zusammenhang rührt mich heute besonders. Ich beneide dieses
     alte Paar, das seit vierzig Jahren fest miteinander verbunden ist. Und als meine Gedanken eine düstere Wendung nehmen, frage
     ich mich betrübt, was beim Tode des einen aus dem andern werden soll und ob er nach dieser Amputation als halber Mensch wird
     weiterleben können. An dieser Stelle verwandle ich mich plötzlich in Stien und sehe Mutsch steif und bleich auf ihrem Totenbett
     liegen, mich daneben auf den Knien,

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