Die geschützten Männer
davon, Pussy auf den Operationstisch zu legen. Sie muß sich mit einem Stuhl
begnügen! Ohne jegliche Betreuung! Und indessen führen Mr. und Mrs. Barrow
a parte
mit leiser Stimme eine heftige Diskussion. Mr. Barrow unterbricht sie lediglich, um Jespersen völlig unverhohlen zu sagen,
daß seine Anwesenheit überflüssig sei. Jespersen wird vor Zorn blaß, verläßt wortlos den Raum und schlägt die Tür hinter sich
zu.
Auch ich bin verärgert und sage kurz angebunden: »Ich kann auch gehen und die Kranke mit ihrem ausgerenkten Arm sich selbst
überlassen. Dafür werden Sie die volle Verantwortung tragen.«
»Dr. Martinelli, Sie sollten verstehen, daß Ihr Eingreifen uns vor ein heikles Verwaltungsproblem stellt, da Sie in Blueville
einen Sonderstatus haben«, sagt Mr. Barrow, während er mir seinen schwabbligen Bauch zuwendet und seine Knopfaugen auf mich
heftet.
Selbst die Stimme von Mr. Barrow ist eigenartig, ölig, obwohl eine leise Drohung in ihr mitschwingt: Stahlkugeln, die in einem
Ölbad rollen.
»Wollen Sie sagen, daß ich als PM nicht befugt bin, die Leute zu behandeln?«
»Genau!« sagt Mr. Barrow. »Genau das will ich sagen.«
»Ich gestehe, daß ich das nicht begreife.«
»Trotzdem ist es sehr einfach«, sagt Mr. Barrow. »In dem zwischen Ihnen und uns abgeschlossenen Vertrag gelten Sie als Wissenschaftler
und nicht als Arzt.«
»Aber es ist ein dringender Fall! Und als Arzt ist es meine Pflicht, einem Kranken zu helfen. Vertrag hin, Vertrag her, es
erscheint mir ganz und gar unzulässig, dieses junge Mädchen auf dem Stuhl sitzen zu lassen, ohne daß sich jemand ihrer annimmt.«
»Dr. Martinelli, es geht nicht um Ihren Vertrag. Es geht auch, wie ich schon sagte, um Ihren Sonderstatus … Würden Sie sich
bitte einige Minuten gedulden und mir die Zeit lassen, ein Problem zu lösen, das mich allein betrifft.«
Das kommt sehr von oben herab, mit vernichtender Höflichkeit. Mr. Barrow wiederholte den Ausdruck »Sonderstatus« mit einer
so verächtlichen Miene, als ob es ein unauslöschlicher Makel für einen Mann wäre, funktionstüchtige Geschlechtsorgane |79| zu besitzen. Darauf kehrt er mir den Rücken zu und setzt sein Gespräch mit Mrs. Barrow fort.
Es ist völlig klar: ich bin abgeblitzt. Und bei wem! Ich sehe Pussy an, sie ist sehr blaß, ihr Gesicht ist verzerrt, aber
als mein Blick auf sie fällt, schließt sie die Augen. Ich danke. Ich danke auch für Mrs. Barrow, die mich keines Blickes gewürdigt
hat, seit ich mit Pussy die Sanitätsstelle betreten habe, nicht einmal während des Zusammenstoßes mit ihrem Mann. Ich ziehe
mich von den drei Verrückten zurück, ich will allein sein und stelle mich ans Fenster. Mich überkommt ein Anfall stummer Wut,
die völlig sinnlos ist.
Gleichzeitig spitze ich die Ohren. Die im Flüsterton geführte Diskussion des Ehepaars Barrow geht weiter. Wenn ich recht verstehe,
neigt Mr. Barrow dazu, Pussy in die Stadt zu bringen, während Mrs. Barrow für ein sofortiges Eingreifen ist, sei es durch
unreine Hände. Ich bin so gut wie sicher, daß sie sich durchsetzen wird. Ein Beweis, daß der Einfluß der Ehefrau sogar auf
einen A beträchtlich bleibt. Mr. Barrow nimmt den Hörer ab, und allein seiner ehrfurchtsvollen Stimme kann ich entnehmen,
daß er mit Hilda Helsingforth spricht. Ich kann mir vorstellen, wie er auf seinem Schmerbauch zu Füßen seiner Herrin liegt
und ihr die Zehen leckt.
»Sie können operieren, Dr. Martinelli«, sagt Mr. Barrow mit gewichtiger Miene, während er den Hörer auflegt.
Dieser Schleimer setzt mich immer wieder in Erstaunen. Ich frage mich, wie er es anstellt, so schnell von seiner Kriecherei
auf Hochnäsigkeit umzuschalten.
Ich drehe mich um und sage kurz angebunden: »Unter der Bedingung, daß Mrs. Barrow mir assistiert.«
»Aber selbstverständlich, Doktor«, sagt Mrs. Barrow. Sie greift der Entscheidung ihres Mannes vor, würdigt mich jedoch weiterhin
keines Blickes.
Ich bitte sie, Pussy auszuziehen. Inzwischen streife ich ihr die Stiefel ab. Beim rechten Fuß schreit sie auf. Ich untersuche
ihn: eine leichte Verstauchung. Ich unternehme weiter nichts, wasche mir die Hände, während Mrs. Barrow den rechten Uniformärmel
auftrennt. Das dauert einige Zeit. Während ich mir die Hände abtrockne und zur Pritsche zurückkehre, registriere ich, daß
Mrs. Barrow ihr Metier versteht. Sie gefällt mir überhaupt sehr. Sie ist eine Frau, die sich mit Anstand der Blüte ihrer
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