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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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fort: »Ich bin vielleicht ein Idiot, aber ich verstehe überhaupt
     nichts mehr.«
    »Es ist ganz einfach: ich bin zwar
lib
, aber ich lehne den antimännlichen Sexismus, den Krieg zwischen den Geschlechtern und das Verbot der Zweierbeziehung strikt
     ab.«
    »Aber das ist ja die Haltung Anitas!«
    Burage runzelt die Brauen, ihre blauen Augen schleudern Blitze, und sie sagt mit abgrundtiefer Verachtung: »Da ist ein großer
     Unterschied. Ich bekämpfe Bedford, Ihre ehemalige Frau dient ihr.«
    »Ja, ich weiß. Das ist mir klargeworden«, füge ich nach einer Weile hinzu.
    »Ziemlich spät«, sagt Burage, fast schneidend.
    »Es stimmt. Wie Rita sagte, fiel es mir schwer, mich aus meinem Kokon herauszuschälen.«
    Ich erlaube mir zu lächeln, finde aber kein Echo. Sie fährt fort:
    »Damit Ihnen alles klar wird, Doktor, möchte ich präzisieren: ich bin
lib
, aber ich bin gegen LIB Bedfordscher Prägung, und ich bin entschieden gegen die Diktatur Bedfords.«
    »Wie Sie wissen, bin ich der gleichen Meinung.«
    |182| »Das freut mich«, sagt sie kalt. »Das wird vieles erleichtern.«
    Nach einer Pause frage ich: »Sind Sie bereit, über das
Wir
zu sprechen?«
    »Warum? Sie kennen doch unser Ziel.«
    »Ich möchte über Personen sprechen.«
    »In Blueville werden Sie nur mit Rita und mir zu tun haben«, sagt sie kurz angebunden.
    Ich sehe sie an. Also sind die einzelnen Zellen der illegalen Bewegung streng voneinander isoliert. Die Zerschlagung einer
     Zelle soll nicht die Zerschlagung aller anderen nach sich ziehen.
    »Sind Sie von uns dreien der Chef?« frage ich.
    »Ja. Aber Sie werden immer das Recht haben, Ihren Standpunkt darzulegen.«
    Wie ich bereits spüre, ein völlig theoretisches Recht.
    »Noch eine Frage, Burage. Nehmen wir an, Bedford wird neutralisiert. Was ist letztlich das Ziel der Bewegung?«
    »Den Status quo ante wiederherzustellen, allerdings nicht in bezug auf die Lage der Frau.«
    »Warum ein so bescheidenes Ziel?«
    »Um die breitestmögliche Basis zu haben.«
    »Und ist sie breit?«
    »Sie wächst täglich. Selbst im Kongreß.«
    Daraus ließe sich Hoffnung schöpfen. Die Fügsamkeit der »Witwen« im Kongreß ist also nicht mehr so vorbehaltlos, wie sie war.
     Aber was kann der Kongreß in Wirklichkeit ausrichten? Den Präsidenten unter Anklage stellen? Sicher, das hat es in unserer
     Geschichte schon gegeben. Ist es andererseits denkbar, daß ein diktatorischer Präsident sich aburteilen läßt, ohne Gewalt
     gegen seine Richter anzuwenden?
    »Höchstens noch eine Minute«, sagt Burage.
    Burage treibt mich zur Eile. Und immer noch hat sie die Akte unterm Arm, ist kalt und unpersönlich. Eine perfekte Angestellte,
     die mir ihre Anweisungen diktiert.
    »Eine letzte Frage, Burage. Wird Ihr Verhalten mir gegenüber in Zukunft genauso sein wie heute?«
    »Ja.«
    Ein Blick ins Leere, neutraler Tonfall, Zurückhaltung.
    »Also keine Streitereien mehr?«
    |183| »Nein.«
    Ich lächle.
    »Es wird mir leid tun darum.«
    Mein Lächeln bleibt unbeantwortet. Ich frage etwas linkisch: »Und weshalb keine Streitereien mehr?«
    Ihre Augen bekommen einen Ausdruck, den ich nicht zu definieren vermag.
    »Die Streitereien sind künftig überflüssig, Doktor, da ich jetzt Vertrauen zu Ihnen habe und meine Empfindungen offen zeigen
     kann.«
    »Ihre Empfindungen für mich?« frage ich erstaunt.
    »Aber ich bitte Sie«, sagt sie trocken. »Keine Heuchelei. Tun Sie nicht so, als wären sie Ihnen verborgen geblieben.«
    Mir verschlägt es die Sprache.
    »Muß ich deutlicher werden?« fragt sie aggressiv.
    Ich habe keine Lust zu sprechen, aber auch wenn ich sie hätte, sie läßt mich nicht zu Worte kommen.
    »Also gut, Doktor, ich begehre Sie«, sagt sie mit äußerster Kälte.
    Ich bin völlig sprachlos. Es fehlt nicht viel, daß ich rot werde. Und ich schlage tatsächlich die Augen nieder, so unglaublich
     es mir selbst erscheint.
    Burage zeigt eine unerwartete Reaktion. Sie lacht.
    »Sie sind komisch, Doktor! Aus Ihrem persönlichen Kokon mögen Sie wohl herausgekommen sein, aber Sie stecken noch in Ihrem
     Phallokraten-Kokon! Geben Sie ruhig zu, Sie finden es beinahe anstößig, wenn eine Frau die Initiative ergreift und zu einem
     Mann sagt, daß sie ihn begehrt. Wenn es nach Ihnen ginge, möchten Sie wenigstens dieses männliche Vorrecht behalten.«
    »Um die Wahrheit zu sagen, nein, ich war nur überrascht. Sie müssen verstehen, es ist das erste Mal. Aber es ist wirklich
     sehr angenehm, so etwas zu hören.

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