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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Vor allem, wenn das Ganze auf Gegenseitigkeit beruht.«
    Burages Augen werden vor Zorn ganz dunkel, und sie sagt mit vernichtender Ironie: »Oh, Sie begehren mich auch!«
    »Das wissen Sie doch.«
    Erneutes Auflachen, diesmal allerdings fast höhnisch.
    »Aber bei Ihnen ist das ganz etwas anderes, Doktor. Sie sind wie ein Hengst in einer Koppel. Sie begehren alle Stuten, die |184| mit Ihnen zusammengesperrt sind! Mrs. Barrow! Crawford! Pussy! Mich!«
    Man kann nicht gerade sagen, daß meine Würde heute geschont wird. Für Dr. Mulberry bin ich ein Stier in einer Besamungsstation
     und für Burage ein Hengst auf der Weide. Ein Tag der animalischen Vergleiche!
    Ich will im übrigen nichts abstreiten. Offensichtlich wird in Blueville der geringste meiner Blicke belauert, aufgefangen,
     ausgewertet und von »Rita« und dem »Igel« kommentiert. Das ist der Preis, den puritanische Gesellschaften zahlen müssen: man
     ist nur noch mit Sex beschäftigt.
    »Sie wissen genau, daß man sehr eklektisch wird, wenn man nur in Gedanken polygam ist«, sage ich. »Trotzdem möchte ich eine
     Bemerkung machen.«
    Das spöttische Lachen ist vorbei. Burages Gesicht wird wieder ernst, und sie sieht mich an, scheinbar ruhig. Aus einem kaum
     merklichen Zittern ihrer Ohrringe glaube ich jedoch schließen zu können, daß sie ahnt, was ich sagen werde.
    »Burage«, sage ich, »wenn der Hengst, von dem Sie sprechen, aus der Koppel herauskönnte, weiß ich genau, welche Wahl er treffen
     würde.«
    Sie zuckt mit keiner Wimper und sagt kalt: »Die alte Leier aus der Kiste sexistischer Verführung?«
    »Keineswegs.«
    Schweigen. Wortlos sieht sie mich an. Dann wechselt ihr Blick. Ich fühle, daß sie mir glaubt und daß sie von einer Gefühlsaufwallung
     überwältigt wird. Doch das dauert nur den Bruchteil einer Sekunde: ihr Gesicht wird wieder starr, und sie stößt die Worte
     mit einem Nachdruck hervor, der mich in Erstaunen versetzt.
    »Hören Sie, Doktor, und nehmen Sie es so, wie es gemeint ist. Solange wir beide uns innerhalb der Umzäunung von Blueville
     befinden, spielt sich nichts ab. Verstehen Sie, nichts! Weder ein Kuß noch eine Berührung der Hände, nicht der geringste Annäherungsversuch,
     kein Blick.« Und sie fügt hinzu: »Im Moment haben wir unsere Arbeit zu tun, sonst nichts.«
     
    Am Morgen des 3. Juni wählt Burage einen ruhigen Augenblick, um mir ihre Anweisungen zu geben. Sie hat sich den alle vierzehn
     Tage fälligen Bericht über unsere Forschungsarbeit |185| angehört, den ich auf Band gesprochen und ihr gegeben habe. Sie findet ihn zu optimistisch, nicht an sich, sondern aus taktischen
     Gründen. In dem Bericht an Mr. Barrow soll ich unsere tatsächlichen Fortschritte untertreiben. Ich halte ihr entgegen, daß
     ich nicht der einzige bin, der in der Lage ist, unsere Arbeitsergebnisse einzuschätzen. Auch Dr. Grabel …
    Burage unterbricht mich.
    »Kein Risiko. Dr. Grabel wird schweigen.«
    Ich sehe sie an. Gehört Dr. Grabel zum
Wir
? Dabei ist er ein A! Kaum zu fassen.
    »Wenn ich meinen Bericht völlig verändern soll, möchte ich wenigstens wissen, welchen taktischen Grund Sie haben«, fahre ich
     fort.
    »Also gut. Wir wissen nicht, wie Helsingforth reagiert, wenn das Serum erst entwickelt ist. Das wird sie vor Probleme stellen.
     Nach allem muß man sagen, daß das Serum nicht so ganz in Bedfords Konzept paßt. Wir möchten gegenüber Bedford einen gewissen
     Vorsprung haben, um nicht von ihren Maßnahmen überrascht zu werden.«
    Da fällt mir ein, was Anita mir verraten hatte: daß Barrow ihr für Bedford immer die Arbeitsberichte Stiens und Jespersens
     als geheime Verschlußsache mitgegeben hat. Niemals meine Berichte.
    Ich sage das Burage. Sie scheint darüber erstaunt zu sein. Weniger über das geringe Interesse des Weißen Hauses an meinen
     Forschungen – denn das war zu vermuten – als über das lebhafte Interesse für die »Projekte« meiner Kollegen.
    Burage holt tief Luft.
    »Doktor, Sie müssen unbedingt erfahren, woran Stien arbeitet.«
    Ich verberge nicht meinen Unwillen.
    »Sie berühren da ein sehr heikles Problem. Stien und ich haben uns zur Geheimhaltung verpflichtet.«
    »Wem haben Sie das versprochen?«
    »Helsingforth.«
    »Und Sie fühlen sich an dieses Versprechen gebunden?« fragt Burage verächtlich.
    »Seit ich zu euch gehöre, nicht mehr. Aber Stien kennt eure Ziele nicht. Er wird meine Neugierde nicht verstehen. Vielleicht
     erscheint sie ihm sogar verdächtig.«
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