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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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Eroberungen über ihre Nachbarn unsterblich. Die Kaiser von Abex und Angota blickten auf Mangoguls Jugend und auf den Antritt seiner Regierung als auf eine günstige Gelegenheit, die Provinzen wiederzuerlangen, die man ihnen weggenommen hatte. Also bekriegten sie Congo von allen Seiten. Mangoguls Staatsrat war der beste, den es in ganz Afrika gab. Der alte Sambuco und der Emir Mirzala hatten in den vorigen Kriegen gedient. Man stellte sie an die Spitze des Heeres und erfocht Siege über Siege. Feldherren bildeten sich, die imstande waren, sie zu ersetzen. Das ward ein noch wichtigerer Vorteil als die Siege.
    Dank der Tätigkeit des Kriegsrats und der guten Führung der Feldherren kam der Feind, der das Reich zu verheeren sich vorgenommen hatte, nicht einmal unsern Grenzen nahe, verteidigte die seinigen schlecht und ließ seine Festen und Provinzen zerstören. Doch trotz so beständiger und glorreicher Siege wurde Congo je größer, desto schwächer. Die häufigen Rekrutenaushebungen entvölkerten Stadt und Land. Die Einkünfte des Staats wurden erschöpft.
    Belagerungen und Schlachten hatten viel Menschen weggerafft. Der Großwesir, der wenig sparsam mit dem Blute seiner Soldaten umging, wurde beschuldigt, unnütze Schlachten geschlagen zu haben. Alle Familien waren in Trauer, jede beweinte einen Vater, einen Bruder oder einen Freund. Die Zahl der erschlagenen Offiziere war unermeßlich und nur mit der Zahl der Witwen zu vergleichen, die um ein Gnadengehalt anhielten. Die Kabinette der Minister wurden von ihnen bestürmt. Selbst den Sultan überhäuften sie mit Bittschriften, worin das Verdienst und die Taten der Verstorbenen, der Schmerz der Witwen, die traurige Lage ihrer Kinder und andere herzbrechende Gründe nicht vergessen wurden. Nichts schien gerechter als ihre Forderungen; wo sollte man aber ein Gehalt für sie hernehmen, dessen Ausgabe sich auf Millionen belief?
    Die Minister hatten alle guten, zuweilen auch bösen und barschen Worte erschöpft; endlich pflegten sie Rat, wie man dem Dinge abhelfliche Maße verschaffen könne. Aber aus einem vortrefflichen Grunde kam nichts zustande. Man hatte keinen roten Heller. Mangogul war der Ausflüchte seiner Minister und der Klagen der Witwen überdrüssig und fand endlich den Ausweg, den man so lange gesucht hatte. »Ihr Herren,« sprach er in seinem Rat, »mir scheint, ehe wir ein Gnadengehalt zugestehn, müssen wir doch genau untersuchen, ob es auch wirklich verdient ist.« »Die Untersuchung,« antwortete der Groß-Seneschall, »wird kein Ende nehmen und ungeheuer viel Zeit erfordern. Wie sollten wir unterdessen dem Geschrei und der Verfolgung der Weiber entgehn, die Ihrer Hoheit vorzüglich zur Last fällt?« »Das hat nicht so viel Schwierigkeiten, als Sie, Herr Groß-Seneschall, glauben,« erwiderte der Sultan. »Ich verspreche Ihnen, morgen mittag soll alles nach den Gesetzen strengster Billigkeit entschieden sein. Bescheiden Sie sie nur morgen früh um neun Uhr zu mir in Audienz.«
    Der Rat war aufgehoben. Der Groß-Seneschall verfügte sich in seine Kanzlei, überlegte alles wohl und entwarf den folgenden Anschlag, der drei Stunden hernach gedruckt, bei Trommelschlag vorgelesen und an alle Gassenecken von Banza geheftet ward.
    Auf Seiner Majestät allerhöchsten Spezialbefehl tun wir pleniff. Tit. Tit. Gänseschnabel, Groß-Seneschall von Congo, Wesir mit den drei Schweifen, Caudatarius der großen Manimombanda, Oberbesenkehrer des Diwans, kund und zu wissen allen, so daran gelegen, daß morgen früh um neun Uhr der großmächtigste Sultan allen Witwen der im allerhöchsten Kriegsdienst gebliebenen Offiziere Gehör erteilen werden, um ihre Forderungen zu untersuchen und darauf zu verfügen, was Rechtens. Gegeben in unsrer Seneschallkanzlei, den zwölften des Monden Regeb, 147200000009. Alle Leidtragenden in Congo, und es gab ihrer gar viele, unterließen nicht, den Anschlag zu lesen oder durch ihre Lakaien lesen zu lassen, und sie fanden sich natürlich zur bestimmten Stunde im Vorzimmer des Thronsaales ein. Um aller Unordnung vorzubeugen, befahl der Sultan, sollten nur immer sechs Damen auf einmal eintreten. »Wenn wir sie vernommen haben, öffnet man ihnen die Hintertür, die auf den Schloßhof führt. Gebt wohl acht, ihr Herren, und entscheidet über ihre Forderungen.«
    Darauf gab er dem ersten Türsteher ein Zeichen, und die sechs Damen, die der Tür am nächsten standen, wurden eingeführt. Sie waren in lange Trauerkleider gehüllt und beugten sich

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