Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
tief vor Seiner Hoheit. Mangogul wandte sich an die jüngste und hübscheste. Sie hieß Isek. »Haben Sie Madame Ihren Gemahl schon lange verloren?« fragte er. »Vor drei Monaten, Hoheit,« sprach sie mit Tränen. »Er war Ihrer Hoheit Generalleutenant. Er blieb in der letzten Schlacht, mir bleibt nichts von ihm als sechs Kinder« – »Von ihm?« unterbrach sie eine Stimme, die von Isek kam und doch nicht ganz ihren Ton hatte. »Das weiß die gnädige Frau besser, als sie spricht. Alle sechs hat ein junger Brahmine angefangen und vollendet, um sie zu trösten, während ihr Herr im Felde war.«
Man errät leicht, woher die verräterische Stimme kam, die diese Antwort aussprach. Die arme Isek verlor alle Fassung, erblaßte, wankte, fiel in Ohnmacht. »Die Dame hat Nervenkrämpfe,« sprach Mangogul ruhig. »Man bringe sie in ein Zimmer meines Harems und leiste ihr Hülfe.« Darauf wandte er sich an Phenice: »War Ihr Gemahl nicht Pascha, Madame?« – »Ja, gnädigster Herr,« antwortete Phenice zitternd. – »Wie haben Sie ihn verloren?« – »Er starb in seinem Bett, gnädigster Herr, an den Beschwerden des letzten Feldzuges.« – »An den Beschwerden des letzten Feldzuges?« fiel Phenicens Kleinod ein. »Ei, gnädige Frau, Ihr Herr Gemahl kam aus dem Feldzuge gesund und stark zurück. So würd’ er noch leben, wenn nicht zwei oder drei Landstreicher … Sie verstehen mich, sorgen Sie für Ihre eigne Gesundheit.« – »Schreibt, ihr Herren,« sagte der Sultan: »Phenice fordert ein Gnadengehalt für die treuen Dienste, die sie dem Staat und ihrem Gemahl geleistet hat.«
Eine dritte ward um das Alter und den Namen ihres Gatten befragt, von dem es hieß, er sei bei dem Heere an den Blattern gestorben. »An den Blattern?« fragte das Kleinod, »das ist eine schöne Lüge! Sagen Sie lieber, gnädige Frau, an zwei tüchtigen Säbelhieben, die ihm der Sangiac Cavagli versetzte, weil er es übelnahm, daß sein ältester Sohn dem Sangiac so ähnlich sehen sollte, wie ein Ei dem andern. Die gnädige Frau weiß wohl,« setzte das Kleinod hinzu, »daß keine Ähnlichkeit auf der Welt einen besseren Grund hat.«
Die vierte wollte eben reden, ohne daß Mangogul sie befragte, als ihr Kleinod aus der Tiefe heraufrief: sie habe ihre Zeit seit diesem zehnjährigen Kriege wohl angewandt, zwei Edelknaben und ein vierschrötiger Livreebedienter hätten den Platz ihres Mannes vollkommen ausgefüllt; und das Gnadengehalt, um welches sie sich bewerbe, sei zweifelsohne bestimmt, einen Sänger aus der komischen Oper zu besolden.
Die fünfte trat unerschrocken hervor und forderte mit dreister Stimme den Lohn für die Dienste ihres seligen Manns, der als Janitscharenaga unter den Wällen von Mantanas sein Leben eingebüßt hatte. Der Sultan drehte seinen Ring gegen sie, aber umsonst. Ihr Kleinod blieb stumm. »Sie war aber auch,« sagt mein gelehrter Afrikaner, der sie gesehen hatte, »so grundhäßlich, daß es ein großes Wunder gewesen wäre, wenn ihr Kleinod etwas zu sagen gehabt hätte.«
Mangogul war bei der sechsten, und dies sind die ausdrücklichen Worte ihres Kleinods: »Wahrhaftig,« sprach es, »die gnädige Frau, die nämlich, deren Kleinod so hartnäckig geschwiegen hatte, mag sich’s wohl einfallen lassen, um ein Gnadengehalt einzukommen, da sie vom Spiel lebt, da sie eine Pharaobank bei sich gestattet, die ihr mehr als dreitausend Zechinen jährlich einträgt, da sie auf Kosten der Spieler kleine vertrauliche Abendgesellschaften in ihrem Hause veranstaltet. Sechshundert Zechinen hat ihr Osman bezahlt, um auch mich dahin zu locken, und als ich einmal da war, ergriff der Verräter …«
»Man wird Ihren Forderungen Gerechtigkeit widerfahren lassen, meine Damen,« sagte der Sultan. »Sie können jetzt hinausgehn.« Dann wandte er sich zu seinen Räten und fragte sie, ob sie es nicht lächerlich finden würden, wenn man eine Menge kleiner Bastarde von Brahminen und andern Gnadengehalte aussetzte und Frauen, die sich nur damit beschäftigt hätten, den tapfern Männern Schande zu machen, die auf Kosten ihres Lebens, in seinem Dienste nach Ehre strebten?
Der Seneschall stand auf, antwortete, perorierte, resümierte und meditierte recht dunkel, ohne daß ihn jemand verstand. Derweilen er redete, hatte sich Isek von ihrer Ohnmacht erholt, wütete über ihren Unfall, erwartete kein Gnadengehalt für sich und wäre verzweifelt gewesen, wenn es einer andern zuteil werden würde, wie es sehr wahrscheinlich geschehen mußte;
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