Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Groß-Seneschall und einem Effendi, in Mirzozas Gemach. Dahin ward Fatme geführt. Die Unglückliche warf sich zu Mangoguls Füßen, gestand ihr Verbrechen mit allen Umständen und beschwor die Favoritin, sich ihrer anzunehmen. Unterdessen war Kersael hereingebracht. Er erwartete den Tod, dennoch erschien er mit derjenigen Zuversicht, die nur die Unschuld geben kann. Einige schlimme Spötter sagten, seine Verzweiflung würde größer gewesen sein, wenn das, was man ihm zu nehmen drohte, sich der Mühe verlohnt hätte. Die Damen wollten gern wissen, ob etwas daran sei. Er verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor seinem Herrn. Mangogul winkte ihm, sich aufzurichten, und reichte ihm die Hand. »Du bist unschuldig,« sprach er, »sei frei; danke Brahma für deine Rettung. Um dich wegen der Leiden zu entschädigen, die du erlitten hast, weise ich dir zweitausend Zechinen Gehalt auf meine Schatzkammer an, und die erste erledigte Komturei im Krokodillen-Orden.«
Je mehr Gnadenbezeigungen Kersael erhielt, desto mehr Strafe fiel auf Fatme. Der Groß-Seneschall erkannte auf ihren Tod nach dem Gesetze: Femina ff. de vi C. calumniatrix. Der Sultan war für ewige Gefangenschaft. Mirzoza fand jenes Urteil zu strenge, dieses zu nachsichtig und verdammte Fatmes Kleinod zu Schloß und Riegel. Diese florentinische Erfindung ward ihr öffentlich angelegt auf der Bühne, die zu Kersaels Hinrichtung errichtet war. Von da ward sie in ein Zuchthaus gebracht. Mit ihr die Matronen, die über diesen Handel so weislich entschieden hatten.
Während Mangogul die Kleinode Harias, der Witwen und Fatmes ausfragte, hatte Mirzoza Zeit genug, ihre philosophische Vorlesung zu bereiten. Eines Abends hielt die Mamimonbanda ihre Andacht, es gab weder Spiel noch Gesellschaft bei ihr, und die Favorite war beinahe gewiß, der Sultan werde sie besuchen. Da nahm sie zwei schwarze Unterröcke, legte einen an wie gewöhnlich, hing sich den andern um die Schultern, steckte beide Arme durch die Schlitzen, setzte die Allongen-Perücke von Mangoguls Seneschall auf und die Kappe seines Kaplans. So sah sie einer Fledermaus nicht unähnlich, sie aber hielt das für die Kleidung eines Philosophen.
In diesem Anzuge spazierte sie durch ihre Zimmer hin und her, wie ein Professor des Collège Royal, der auf Hörer wartet. Sie nahm sogar die finstere nachdenkliche Miene eines meditierenden Gelehrten an. Mirzozas erzwungener Ernst hielt nicht lange vor. Der Sultan trat mit einigen seiner Hofleute herein und machte dem neuen Philosophen eine tiefe Verbeugung, dessen Gravität seine Zuhörer um ihre würdige Haltung brachte. Und diese ihrerseits durch ihr lautes Lachen brachten wiederum den Philosophen aus der Fassung. »Gab Ihnen Geist und Gestalt nicht Überlegenheit genug, Madame,« fragte Mangogul, »brauchten Sie noch diese Robe? Auch ohne sie würden Ihre Worte alles Gewicht haben, das Sie nur wünschen könnten.« – »Es scheint mir, gnädigster Herr,« antwortete Mirzoza, »Sie ehren diese Robe sehr wenig. Ein Schüler sollte mehr Achtung für das haben, worin wenigstens die Hälfte des Verdienstes seines Meisters besteht.« – »Ich merke,« erwiderte der Sultan, »Sie besitzen schon den Geist und die Sprache Ihres neuen Standes. Jetzt zweifle ich auch gar nicht mehr, daß Ihre Gelehrsamkeit der Würde Ihres Anzuges entspricht, und erwarte den Beweis davon mit Ungeduld.« – »Sie sollen noch in dieser Minute befriedigt werden,« antwortete Mirzoza und setzte sich mitten auf ein großes Sofa. Der Sultan und die Höflinge nahmen um sie herum Platz, und sie begann:
»Gnädigster Herr, haben die Philosophen von Monoemugi, denen Ihre Erziehung anvertraut war, Ihre Hoheit nie von der Natur der Seele unterhalten?« – »O, sehr oft,« antwortete Mangogul, »aber alle ihre Systeme brachten mir am Ende nur sehr ungewisse Vorstellungen bei; und hätt’ ich nicht ein inneres Gefühl, das mir zuzuflüstern scheint, sie sei ein von der Materie verschiedenes Wesen, so würd’ ich ihr Dasein leugnen oder mit dem Körper für einerlei halten. Wollen Sie es übernehmen, dieses Chaos zu entwirren?«
»Das will ich wohl bleiben lassen,« erwiderte Mirzoza. »Darüber gesteh’ ich nicht mehr zu wissen als Ihre Erzieher. Der einzige Unterschied zwischen Ihnen und mir besteht darin, daß ich das Dasein einer von der Materie unabhängigen Substanz nur vermute, die Sie für erwiesen halten. Wenn aber diese Substanz da ist, so muß sie irgendwo ihren Sitz haben. Haben sie Ihnen nicht
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