Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
»Keineswegs, mein Lieber. Ich gab mir alle mögliche Mühe, ihm zu beweisen, wir wären eine wie die andre und handelten alle nach den nämlichen Grundsätzen. Er ist dieser Meinung nicht. Er findet einen unendlichen Unterschied, der aber, denk’ ich, nur in seiner Einbildung besteht. Er hat sich irgendein idealisches Geschöpf erschaffen, ein weibliches Hirngespinst, ein Luftgebild, dem er einen Unterrock anzieht.« – »Gnädige Frau,« antwortete Marsufa, »ich kenne Amisadar. Es ist ein Mann von Verstand, er hat viel Verbindungen mit Frauenzimmern gehabt. Sagt er Ihnen, es gebe solche Weiber, so …« – »Es mag solche geben oder nicht,« unterbrach ihn Fanny, »ihre Manier wird nie die meinige!« – »Ganz gewiß nicht, gnädige Frau,« versetzte Marsufa. »Ihro Gnaden haben eine Lebensart erwählt, die sich für Ihre Geburt und für Ihre Verdienste besser schickt. Solche Zierpuppen muß man den Philosophen überlassen; am Hofe würden die versauern.«
Hier schwieg Fannys Kleinod. Es war eine Haupt- Eigenschaft dieser Redner, zu rechter Zeit einzuhalten. So sprachen sie, als ob sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan hätten. Daraus folgerten einige Schriftsteller, sie wären bloße Maschinen. Daran sieht man ihre Methode. Hier wiederholt der gelehrte Afrikaner lang und breit den metaphysischen Erweis der Kartesianer gegen die Seele der Tiere und wendet ihn mit allem nur möglichen Scharfsinn auf das Geschwätz der Kleinode an. Mit einem Wort, er ist der Meinung, die Kleinode hätten gesprochen, wie die Vögel singen: das ist, ohne Lehrmeister, dennoch so vollkommen, daß nicht daran zu zweifeln sei, ein höheres Wesen habe durch ihren Mund geredet.
»Und was fängt er mit seinem Fürsten an?« werdet Ihr mich fragen. Er schickt ihn der Favorite zur Mittagstafel; wenigstens finden wir ihn dort im nächsten Abschnitt.
Mangogul dachte nur daran, wie er sein Vergnügen abwechseln und die Versuche seines Ringes vervielfachen könnte. Er hatte die merkwürdigsten Kleinode seines Hofes ausgefragt und war nunmehr neugierig, einige Kleinode aus der Stadt zu vernehmen. Was er aber durch sie erfahren dürfte, davon hatte er schon im voraus keine besondere Meinung, und hätte wohl gewünscht, sie nach seiner Bequemlichkeit vorladen zu können, ohne sich die Mühe zu geben, sie aufzusuchen.
Wie sollte er sie aber zusammentrommeln? Darüber war er in Verlegenheit. »Das ist wohl der Mühe wert, nachzusinnen,« sagte Mirzoza. »Geben Sie mir eine Freiredoute, gnädigster Herr, und ich verspreche Ihnen noch diesen Abend mehr Redner von dem Schlage, als Sie werden anhören mögen.«
»Freude meines Herzens, Sie haben recht,« antwortete Mangogul. »Ihr Vorschlag ist um so besser, weil er uns sicherlich nur solche verschafft, die mir in den Kram passen.« Alsbald erhalten der Kiflar-Ugasi und der Schatzmeister Befehl, das Fest anzuordnen und nur viertausend Billette auszugeben. Wahrscheinlich verstand man dort besser als anderswo, wie vielen Raum viertausend Menschen einnehmen. Bis die Stunde der Redoute herankam, sprachen Mangogul, die Favorite und Selim über Neuigkeiten. »Wissen Ihro Gnaden,« fragte Selim die Favorite, »daß der arme Codindo gestorben ist?« »Das erste Wort, was ich höre! Woran ist er gestorben?« sagte die Favorite. »Leider, gnädige Frau,« antwortete Selim, »ist er ein Opfer der anziehenden Kraft geworden. Auf dieses System war er von Jugend an versessen, und auf seine alten Tage wurde er darüber verrückt.« »Wie das?« fragte die Favorite.
»Halley und Circino, zwei berühmte Sternkundige von Monoemugi, hatten berechnet, ein gewisser Komet, der gegen das Ende der Regierung Kanoglus großes Aufsehen machte, müsse vorgestern wieder erscheinen. Codindo befürchtete, dieser Komet möchte seinen Schritt beschleunigen und ihm die Ehre rauben, seiner zuerst gewahr zu werden. Daher entschloß er sich, die Nacht auf der Sternwarte zuzubringen, und sah noch gestern morgen um neun Uhr unverwandt durch das Fernrohr.«
Sein Sohn befürchtete, eine so lange Sitzung könne dem Vater nachteilig werden, näherte sich ihm um acht Uhr und zupfte ihn am Ärmel: »Vater! Vater!« Keine Antwort. »Vater! Vater!« wiederholte der junge Codindo. »Er muß gleich kommen,« antwortete Codindo, »er wird gleich kommen. Er soll mir wahrhaftig nicht entgehn.« – »Das ist unmöglich, Vater, es nebelt viel zu stark.« – »Ich will ihn sehn und ich muß ihn sehn.«
Diese Antworten überzeugten den
Weitere Kostenlose Bücher