Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
geschmeichelt?« »So wenig, gnädige Frau,« antwortete Selim, »daß mich Oropesa vielleicht in Madrid festgehalten hätte, wenn ihr Gemahl, der unsern Umgang erfuhr, ihn nicht durch seine Drohungen unterbrach. Oropesa war mir lieb, das Leben war mir lieber. Auch schien mein Hofmeister nicht geneigt, mich den Dolchstichen des Mannes auszusetzen, damit ich seine Frau einige Monate länger genösse. So schrieb ich also der schönen Spanierin ein rührendes Lebewohl, das ich einem Roman ihres Landes entlehnte, und reiste nach Frankreich.«
Der Monarch, der damals Frankreich beherrschte, war Großvater des Königs von Spanien, und sein Hof galt mit Recht für den prächtigsten, gesittetsten und liebeseligsten von Europa. Ich erschien wie ein Naturphänomen. »Ein junger Herr aus Congo?« sagte eine schöne Marquise. »Das muß doch sehr spaßhaft sein. Da gibt’s ganz andre Männer als bei uns. Congo liegt, denk’ ich, nicht weit von Marokko.« Man veranstaltete meinetwegen Gesellschaften. Sprach ich auch nur ein ganz wenig vernünftiges Wort, so fand man mich aufgeklärt und wunderbar frei. Man pries mich um so lauter, weil man mir anfangs die Ehre erzeigt hatte, zu argwöhnen, ich habe keinen Menschenverstand. »Er ist allerliebst!« rief eine andre Hofdame mit Lebhaftigkeit. »Es ist ein wahrer Mord, daß ein so hübsch gebildeter junger Mann in ein Land zurückkehren soll, wo die Frauenzimmer von Männern bewacht werden, die keine Männer sind!« »Ist das wohl wahr, mein Herr? Man sagt, sie haben garnichts. Das muß einem Manne übel stehn.« »Wir müssen sehn,« sagte eine andre, »wie wir den Jungen hier unter bringen. Er ist ja von gutem Hause. Wenn alles fehlschlägt, wird er Maltheser-Ritter. Ich wills auf mich nehmen, ihn zu versorgen; und die Herzogin Viktoria, meine Freundin von jeher, kann im Notfall bei dem König selbst für ihn sprechen.«
Bald hatt’ ich unverdächtige Beweise ihres Wohlwollens. Ich setzte die Marquise in den Stand, das Verdienst der Einwohner von Congo und Marokko zu beurteilen: »aber ich erfuhr, der Posten, den die Herzogin und ihre Freundin mir versprochen hatten, sei schwer auszufüllen, und gab ihn auf. Hier lernt’ ich einer hohen Leidenschaft vier und zwanzig Stunden nachhängen. Sechs Monate lang trieb ich mich wie in einem Wirbel umher, wo eine Liebschaft anfing, ehe die andre ein Ende nahm, wo man nichts suchte als Genuß. Verzögerte sich der, oder war er erlangt, so flog man neuen Freuden zu.«
»Was sagen Sie, Selim?« antwortete die Favoriti. »Anstand ist also in diesem Lande unbekannt?« »Vergeben Sie mir, gnädige Frau,« antwortete der alte Höfling. »Man führt kein Wort so häufig im Munde. Aber Sklavinnen der Sache sind die Französinnen so wenig als ihre Nachbarinnen.« »Was für Nachbarinnen?« fragte Mirzoza. »Die Engländerinnen,« versetzte Selim, »kalt und spröde dem Anschein nach, aber heftig, wollüstig und rachsüchtig; minder witzig, aber vernünftiger als die Französinnen. Diese lieben das Geschwätz der Empfindungen, jene ziehen den Ausdruck des Genusses vor. Doch liebt man zu London wie zu Paris, verläßt sich und verbindet sich aufs neue, um sich aufs neue zu verlassen. Ich vertauschte die Tochter eines Lord Bishop – das ist eine Art verheirateter Brahminen – gegen die Frau eines Ritters Baronet. Unterdes er sich im Parlament erhitzte, um die Sache seines Volkes gegen die Eingriffe des Hofes zu verteidigen, hatten seine Gattin und ich zu Hause ganz andre Debatten. Aber das Parlament endigte seine Sitzungen, und Mylady war gezwungen, ihrem Baronet auf seinen Landsitz zu folgen. Da verfiel ich auf die Gemahlin eines Obersten, dessen Regiment in einem Seehafen in Garnison lag. Endlich gehört’ ich der Frau des Lordmajors. Ach, welch eine Frau! Nie hätt’ ich Congo wieder gesehen, wenn mich nicht die Klugheit meines Hofmeisters, der mich hinschwinden sah, dieser Galeere entriß. Er erdichtete Briefe meiner Familie, die meine Rückkunft sehnlich verlangte, und wir schifften uns nach Holland ein, von wannen wir durch Deutschland gehn und uns nach Italien begeben wollten, wo es uns nicht an Gelegenheit fehlen konnte, nach Afrika zurückzukehren.«
Wir sahen Holland bloß auf der Extrapost und hielten uns in Deutschland nicht viel länger auf. Alle Frauenzimmer von Stande glichen dort wichtigen Festungen, die man förmlich belagern muß. Sie ergeben sich endlich, aber man muß sich ihnen mit großer Vorsicht nähern; und es gibt so
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