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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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viele Wenn und Aber als Bedingungen der Übergabe, daß mir diese Eroberungen bald Langeweile machten.
    Nie werd’ ich die Worte einer Deutschen von hohem Range vergessen, als sie im Begriff war, mir einzuräumen, was sie vielen andern nicht abgeschlagen hatte: »Ach!« rief sie mit Thränen, »was würde der große Alziki, mein Vater, sagen, wenn er wüßte, daß ich mich einem unbedeutenden Congoer überlasse!« »Er soll nichts sagen, gnädige Frau,« versetzt’ ich. »So viel Größe setzt mich in Erstaunen, und ich ziehe mich ehrfurchtsvoll zurück.« Daran tat ich sehr weislich; ich möchte ein Andenken davongetragen haben, wenn ich Ihre Hoheit mit meiner Niedrigkeit bloßgestellt hätte. Brama, der unser gesundes Land in seine Obhut nimmt, war im Geiste mit mir in dieser mißlichen Stunde.
    Die Italienerinnen, mit denen wir hernach zu tun hatten, sind nicht so hochnäsig. Sie unterrichteten mich in den verschiedenen Arten des Vergnügens. Es liegt oft in diesen verfeinerten Genüssen viel Launenhaftigkeit und Seltsamkeit; aber, meine Damen, Sie werden mir verzeihen, das muß zuweilen sein, um Ihnen zu gefallen. Ich habe aus Florenz, Venedig und Rom verschiedene Freudenrezepte mitgebracht, die mein barbarisches Vaterland vor meiner Rückkunft nicht kannte. Der Ruhm dieser Neuerung gebührt den Italienerinnen.
    Ungefähr vier Jahre hatte ich in Europa zugebracht und kehrte ausgebildet, wie Sie sehen, und mit den seltenen italienischen Entdeckungen bereichert, die ich ohne Säumen bekannt machte, durch Ägypten in unser Reich zurück.
    Hier, sagte der gelehrte Afrikaner, bemerkte Selim, daß die abgedroschenen Bemerkungen, die er der Favorite über seine europäischen Reisen und über den Charakter der Weiber der von ihm bereisten Länder auskramte, den Sultan in tiefen Schlummer gewiegt hatten; und weil er fürchtete, ihn aufzuwecken, näherte er sich der Sultanin und fuhr mit leiserer Stimme fort:
    »Gnädige Frau, müßt’ ich nicht besorgen, Sie durch einen Bericht ermüdet zu haben, der vielleicht nur allzulang gewesen ist, so würd’ ich Ihnen noch mein erstes Abenteuer in Paris erzählen, von dem ich nicht begreife, wie es mir vorhin entfalle konnte.«
    »Tun Sie das, lieber Selim«, antwortete die Favorite. »Ich will meine Aufmerksamkeit verdoppeln und Sie, so viel an mir ist, für die des schlafenden Großherrn entschädigen.«
    »Wir brachten,« fuhr Selim fort, »von Madrid Empfehlungsschreiben an einige französische Herren mit und kamen auf die Art gleich bei unsrer Ankunft in gute Gesellschaft. Es war gerade in der guten Jahreszeit, und mein Hofmeister und ich gingen des Abends gewöhnlich im Palais Royal spazieren. Da wurden wir einst dort von einigen Stutzern angeredet, die uns die hübschesten Damen nachwiesen, ihre wahre oder falsche Geschichte erzählten und sich selbst nicht dabei zuletzt erwähnten, wie Sie leicht denken können. Schon waren sehr viel Frauenzimmer im Garten, aber gegen acht Uhr bekamen sie eine ansehnliche Verstärkung. Nach der Menge ihrer Edelsteine, der Pracht ihrer Kleidung und ihrem zahlreichen Gefolge hielt ich sie wenigstens für Herzoginnen. Ich sagte meine Gedanken einem jungen Herrn aus der Gesellschaft, der mir antwortete, er merke wohl, daß ich ein Kenner sei; wenn ich aber wollte, könnte ich das Vergnügen haben, noch am nämlichen Abend mit einigen der liebenswürdigsten zusammen zu speisen. Ich nahm sein Anerbieten an; sogleich raunte er zweien oder dreien seiner Freunde etwas ins Ohr, die sich unter die Spaziergänger zerstreuten und in weniger als einer Viertelstunde zurückkamen, Rechenschaft von ihrer Unterhaltung abzulegen.«
    »Meine Herren,« sagten sie, »man erwartet Sie zum Nachtessen bei der Herzogin Asteria.« Die nicht eingeladen waren, priesen laut unser Glück; man ging noch einigemal auf und ab; man trennte sich, und wir warfen uns in unsern Wagen, um dieses Glück zu genießen.
    Wir hielten an einer kleinen Tür am Fuß einer engen Treppe, die wir bis in den zweiten Stock hinaufstiegen, wo ich die Zimmer geräumiger und besser möbliert fand, als sie mir jetzt vorkommen würden. Man stellte mich der Frau vom Hause vor, der ich eine sehr tiefe Verbeugung und ein so ehrfurchtsvolles Kompliment machte, daß sie beinahe die Fassung darüber verlor. Es ward aufgetragen, und man setzte mich neben eine junge reizende Person, die die Herzogin spielte, so gut sie konnte. Wahrhaftig, ich weiß nicht, woher ich den Mut nahm, mich in sie zu

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