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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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verlieben; und doch passierte mir das. »Sie haben also einmal in Ihrem Leben geliebt?« fragte die Favorite. »Ja, gnädige Frau,« antwortete Selim, »wie man eben mit achtzehn Jahren liebt, mit jener außerordentlichen Ungeduld, eine angesponnene Liebschaft zu Ende zu bringen. Ich schlief die Nacht nicht, und sobald der folgende Morgen graute, entwarf ich den zärtlichsten Liebesbrief an meine schöne Unbekannte. Ich schickt’ ihn fort, man antwortete und bewilligte mir ein Stelldichein. Weder der Ton der Antwort noch die Nachgiebigkeit der Dame enttäuschten mich, und ich eilte an den bestimmten Ort mit der festen Überzeugung, ich werde die Frau oder Tochter eines Premierministers besitzen. Meine Göttin erwartete mich auf einem breiten Sofa. Ich warf mich zu ihren Füßen. Ich ergriff ihre Hand, küßte sie mit lebhafter Zärtlichkeit und wünschte mir Glück zu der Gewogenheit, die sie mir bezeugte.« »Ist es auch wirklich wahr,« sagte ich, »daß Sie Selim erlauben, Sie zu lieben und es Ihnen zu sagen? Darf er, ohne Sie zu beleidigen, sich mit so süßer Hoffnung schmeicheln?«
    So sprach ich und drückte einen Kuß auf ihren Busen. Da sie liegen blieb, rüstete ich mich eifrig, diesem Anfang unsrer Unterhaltung Nachdruck zu geben, aber sie hielt mich auf und sprach: »Halt, halt, guter Freund, du bist ein schöner Junge, du hast viel Witz, du sprichst wie ein Engel, aber ich brauche vier Louis.« »Was sagen Sie?« fragte ich. »Ich sage dir,« antwortete sie, »wenn du mir nicht vier Louis gibst, so ist nichts zu machen …« »Wie, Mamsell!« rief ich mit Erstaunen aus, »Sie sind nicht mehr wert? Das lohnte sich wahrlich der Mühe, von Congo herzukommen!« Sogleich bring’ ich mich wieder in Ordnung, stürze die Treppe hinunter und eile fort.
    »Sie sehen, gnädige Frau, in meiner ersten Zeit hielt ich Figurantinnen für Prinzessinnen.« »Das nimmt mich sehr Wunder,« versetzte Mirzoza, »der Unterschied ist doch außerordentlich groß.« »Ich zweifle nicht daran,« erwiderte Selim, »daß Ihnen tausend Ungeschicklichkeiten entschlüpften. Aber was wollen Sie? Ein Fremder, ein junger Mensch sieht darauf nicht so genau. Man hatte mir in Congo so viel schlechte Geschichten über die Freiheit der Europäerinnen erzählt …« So weit kam Selim, als Mangogul erwachte: »Ich glaube, Gott verdammt mich!« sagte er, gähnte und rieb sich die Augen, »er befindet sich noch immer zu Paris. Darf man Sie fragen, Herr Schönredner, wann Sie hoffen, wieder in Banza anzulangen, und ob ich noch lange schlafen soll? Denn Sie müssen wissen, mein lieber Freund, daß es unmöglich ist, in meiner Gegenwart eine Reise zu beginnen, ohne mir eine Anwandlung von Gähnen zu verursachen. Das ist eine üble Gewohnheit, die ich angenommen habe, seitdem ich Tavernier und andere lese.«
    »Gnädigster Herr,« antwortete Selim, »ich bin schon seit einer Stunde wieder in Banza.«
    »Dazu wünsch’ ich Ihnen Glück,« versetzte der Sultan. Darauf wandte er sich zur Favorite: »Madam, die Stunde des Balles ist da; verfügen wir uns dahin, wenn die Ermüdung der Reise es Ihnen zuläßt.«
    »Gnädigster Herr,« antwortete Mirzoza, »ich bin bereit.« Mangogul und Selim hatten schon ihre Dominos, die Favorite nahm den ihrigen. Der Sultan gab ihr die Hand, und sie begaben sich in den Ballsaal, wo sie sich trennten, um sich in der Menge zu zerstreuen. Selim folgte ihnen, »und ich auch,« sagt der gelehrte Afrikaner, »obwohl ich mehr Lust hatte zu schlafen, als tanzen zu sehen.«
    Die ausgelassensten Kleinode von Banza unterließen nicht, dem Ruf der Freude zu folgen. Sie kamen in ihren eignen Kutschen, in Mietwagen und sogar zu Fuß. »Ich würde kein Ende finden,« sagt der gelehrte Afrikaner, dessen Schleppenträger ich zu sein die Ehre habe, »wenn ich alle Streiche umständlich erzählen wollte, die Mangogul ihnen spielte. In dieser einzigen Nacht gab er seinem Ring mehr zu tun, als seit der ganzen Zeit, da er ihn vom Genius erhielt. Bald drehte er ihn gegen die, bald gegen jene, bald gegen zwanzig auf einmal; dann entstand ein schönes Lärmen.« Ein Kleinod schrie mit kreischender Stimme: »Geiger, bitte, den Kotillon von Dünkirchen!« Ein anders mit heiserem Ton: lieber die Saubriots! Ein drittes: nein, die Tricolets. Und eine Menge rief auf einmal nach Baureé, Quatre Faces, Le Pictolet, La Marieé und anderen abgeleierten Kontertänzen. Dazwischen gab es eine Million Possen von jeder Art. Hier rief eins: »Fort mit dem

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