Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
Vom Netzwerk:
Taugenichts, man muß ihn in die Schule schicken!« Dort: »Ich soll also heimkehren, ohne eine Probe abzulegen?« An anderer Stelle: »wer zahlt mir meine Kutsche?« und drüben: »fort ist er, aber so soll er mir nicht entwischen!« und wieder wo anders: »nur gut! morgen früh! aber zwan zig Louis, sonst ist nichts zu machen!« Und so verriet jedes Wort entweder Willen oder Tat.
    In diesem Getümmel erkannte eine junge niedliche Bürgerin den Sultan, verfolgte ihn, redete ihn an, neckte ihn und trieb es so lange, bis er seinen Ring gegen sie drehte. Sogleich hörte man ihr Kleinod ausrufen: »Warum fliehen Sie? Halten Sie doch, schöne Maske, seien Sie nicht unempfindlich gegen die Glut eines Kleinods, das für Sie brennt!« Den Sultan verdroß diese verwegene Liebeserklärung, er beschloß, die Unverschämte dafür zu bestrafen. Sogleich verschwand er, suchte unter seiner Leibgarde jemanden aus, der ungefähr von seiner Größe war, gab ihm seine Larve und seinen Domino und überließ ihn den Verfolgungen der kleinen Bürgerfrau, die immer durch den Schein getäuscht, dem, den sie für Mangogul hielt, tausend Torheiten zu sagen fortfuhr.
    Der falsche Sultan war kein Narr; der Mann wußte durch Zeichen zu reden. Ein Zeichen von ihm lockte die Schöne an einen abgelegenen Ort, wo sie sich eine Stunde lang für die Favorit-Sultanin hielt, und Gott weiß, was für Pläne in ihrem Hirnchen reiften. Aber der Zauber dauerte nicht lange. Als sie den angeblichen Sultan mit Liebkosungen überhäuft hatte, bat sie ihn, sich zu entlarven. Das tat er und zeigte ihr ein Gesicht mit zwei riesigen Zähnen, die dem Sultan wahrlich nicht gehörten. »O pfui!« rief die kleine Bürgerfrau, »pfui!« – »Wasch fehlt dir, jungsch Wibel?« sagte der Schweizer. »Hon i dir nit guet gnu augewartet, dasch du bösch uf my schyescht?« Aber seine Göttin hielt sich mit keiner Antwort auf, entschlüpfte ihm schnell unter den Händen und verlor sich im Gedränge.
    Den Kleinoden, die nicht nach so hohen Ehren trachteten, gelang es, Genuß zu finden, und alle kehrten sehr vergnügt über diesen Ausflug nach Banza zurück.
    Die Redoute ging zu Ende, als Mangogul zwei seiner höchsten Offiziere heftig miteinander reden hörte. »Es ist meine Geliebte,« sagte einer, »mein seit einem Jahr, und Sie sind der erste, dem es einfällt, mir ins Gehege zu gehen. Warum wollen Sie mich stören, wo ich bin? Nasses, lieber Freund, wenden Sie sich doch an eine andere. Sie werden hundert Damen finden, die sich nur zu glücklich preisen werden, Ihnen anzugehören.« »Ich liebe Amine,« antwortete Nasses, »sie allein gefällt mir. Sie hat mir Hoffnung gemacht, und Sie werden erlauben, daß ich dieser Hoffnung Raum gebe.« »Hoffnungen?« fragte Alibey. – »Ja, Hoffnungen.« – »Bei Gott, das ist nicht wahr.« – »Es ist wahr, mein Herr, und Sie werden mir auf der Stelle Genugtuung dafür geben, daß Sie mich Lügen strafen.« Sogleich gingen sie die Haupttreppe hinunter. Schon waren ihre Säbel gezuckt, und der Streit wäre auf eine tragische Weise ausgetragen worden, wenn nicht der Sultan unter sie trat und ihnen verbot, sich zu schlagen, bevor sie ihrer Helena den Zwist vorgelegt hätten.
    Sie gehorchten und verfügten sich zu Aminen, wohin Mangogul ihnen folgte. »Ich bin ermüdet von der Redoute,« sagte sie. »Mir fallen die Augen zu. Sie sind sehr grausam, meine Herren, daß Sie jetzt zu mir kommen, da ich gerade zu Bette gehen will. Aber Sie sehen beide so seltsam aus. Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?« »Eine Kleinigkeit,« antwortete Alibey. »Der Herr dort«, und er zeigte auf seinen Freund, »rühmt sich, und sogar sehr laut, daß Sie ihm Hoffnungen gaben. Ist das wahr, gnädige Frau?« Amine öffnete den Mund, aber der Sultan drehte in diesem Augenblick seinen Ring gegen sie. Sie schwieg, und ihr Kleinod antwortete an ihrer Statt: »Herr Nasses dürfte sich irren. Nein, auf ihn hat es meine Gebieterin nicht gemünzt. Doch hat sie nicht einen stattlichen Bedienten, der mehr wert ist als er? Wie einfältig sind doch die Männer, zu glauben, daß Würde, Rang und Ehrenstellen, daß Titel, Namen und sinnlose Worte auf Kleinode Eindruck machen! Jeder hat seine Philosophie. Und die unsrige besteht hauptsächlich darin, das persönliche Verdienst, das wahre von dem eingebildeten zu unterscheiden. Herr von Claville mag mir’s nicht übelnehmen, davon versteht er weniger als wir. Das will ich Ihnen beweisen.«
    »Sie kennen beide,« fuhr

Weitere Kostenlose Bücher