Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
ließe.
Kaum glaubte ich meinen guten Ruf im Hause befestigt, als ich mich an ein junges Mädchen machte, das eben den ersten Schleier genommen hatte. Es war eine herrliche Brünette, sie nannte mich Mütterchen, ich nannte sie meinen kleinen Engel. Sie gab mir unschuldige Küsse, ich gab ihr zärtliche Küsse zurück. Die Jugend ist wißbegierig. Zirzifile sprach alle Augenblicke mit mir vom Heiraten und von den Freuden, die ein Mann gäbe. Sie fragte mich, wie es darum stände? Ich vermehrte ihre Neugier auf geschickte Weise und von Fragen zu Fragen führte ich sie endlich zur Beherzigung der Lehren, die ich ihr gab. Das war nicht die einzige Novize, die ich unterrichtete. Auch einige junge Nonnen kamen in meine Zelle, um sich zu erbauen. Ich wußte die Augenblicke, die Stunden, die Zusammenkünfte so gut zu verlegen, daß keine der anderen im Wege war. Kurz, was soll ich Ihro Gnaden sagen? Die fromme Witwe erwarb sich eine zahlreiche Nachkommenschaft. Als aber das Ärgernis ausbrach, worüber man lange heimlich geseufzt hatte, als der versammelte Rat der Ältesten den Klosterarzt berief, dacht’ ich auf meinen Rückzug. In einer Nacht, während das ganze Haus im Schlaf lag, kletterte ich über die Gartenmauer und verschwand. Ich begab mich nach den Bädern von Piombino, wohin der Arzt das halbe Jungfernstift gesandt hatte, und vollendete dort in Uniform das Werk, was ich in Witwentracht begonnen hatte. Das ist eine Tatsache, gnädige Frau, deren sich das ganze Reich erinnert, wovon aber Sie allein den Urheber kennen.«
»Den Rest meiner Jugend,« fuhr Selim fort, »verbracht’ ich mit ähnlichen Vergnügungen. Immer fand ich Weiber aller Art, selten Heimlichkeit, viel Schwüre und keine Aufrichtigkeit.« – »So haben Sie also nie geliebt?« fragte die Favorite. »Ach, was dacht’ ich damals an Liebe?« sagte Selim. »Ich suchte nichts als Genuß, und die, welche einem dazu verhelfen …« »Hat man aber Genuß ohne Liebe?« unterbrach ihn die Favorite. »Was heißt Genuß, wenn das Herz stumm ist?« »Ei, gnädige Frau,« versetzte Selim, »ist es denn das Herz, das im achtzehnten oder zwanzigsten Jahre spricht?«
»Und was nun ist das Resultat aller dieser Erfahrungen? Was halten Sie von den Weibern?«
»Daß die meisten keinen Charakter haben,« antwortete Selim. »Drei Dinge wirken mächtig auf sie: Eigennutz, Vergnügen und Eitelkeit. Vielleicht gibt es keine, die nicht von einer dieser Leidenschaften beherrscht wird; die aber alle drei in sich vereinigen, sind Ungeheuer.«
»Das Vergnügen mag noch hingehen,« sprach Mangogul, der in diesem Augenblick hereintrat. »Es ist zwar kein Verlaß auf die Weiber, aber man muß sie doch entschuldigen. Ist das Blut bis zu einem gewissen Grade erhitzt, so trägt es wie ein flüchtiges Pferd seinen Reiter über Stock und Block, und fast alle Weiber sitzen rittlings auf einem solchen Roß.« »Darum,« sagte Selim, »nennt vielleicht die Herzogin Menega den Ritter Kaidar ihren Oberstallmeister.«
»Aber ist es möglich,« fragte die Sultanin den Hofmann, »daß Sie nie die geringste Herzensaffäre hatten? Sind Sie nur darum aufrichtig, um ein Geschlecht zu entehren, das Sie glücklich machte, wenn Sie zu seinem Vergnügen beitrugen? Wie? unter einer so großen Menge Frauenzimmer nicht eine, die geliebt sein wollte, die geliebt zu werden verdiente? Das ist unbegreiflich.«
»Ach, gnädige Frau,« antwortete Selim,, »ich fühle, weil es mir so leicht wird, Ihnen zu gehorchen, daß die Jahre die Macht einer liebenswürdigen Frau über mein Herz nicht geschwächt haben. Ja, gnädige Frau, auch ich habe geliebt. Sie wollen alles wissen, ich will alles sagen, Sie mögen entscheiden, ob ich nicht mit Ehren in der Rolle eines Liebhabers gut bestanden habe.«
»Kommen in diesem Teile Ihrer Geschichte Reisen vor?« fragte der Sultan. »Nein, Fürst,« antwortete Selim. »Desto besser,« versetzte Mangogul, »denn ich fühle mich gar nicht aufgelegt, zu schlafen.«
»Mir aber wird Selim einen Augenblick auszuruhen gestatten,« erwiderte die Favorite.
»Er kann auch schlafen gehen,« sagte der Sultan. »Und während Sie schlafen, will ich Cypria ausfragen.« »Aber, Fürst,« versetzte Mirzoza, »Ihre Hoheit bedenken nicht, daß dieses Kleinod Sie in unendliche Reisen verwickeln wird.«
Hier meldet der gelehrte Afrikaner, der Sultan, dem Mirzozens Bemerkung einleuchtete, habe sich mit einem starken Gegenmittel wider den Schlaf versehen. Er setzt hinzu, daß Mangoguls
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