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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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Namen, und ganz unzerzaust kamen aus diesen Kellern nur wenige heraus; aber er hatte seltsamerweise keine Angst. »Sei ruhig, Liselotte«, bat er. »Ich bin bald wieder zurück.« – »Das hängt wohl nicht von Ihnen allein ab, Herr«, sagte der mit den zwei Sternen.
    Sie brachten ihn in eine Taxe. Er saß schlaff da, die Augen halb geschlossen. Es kann ihm wenig mehr passieren. Eigentlich sind seine Dinge in Berlin erledigt. In dem Kampf gegen Wels hat Mühlheim seine jüdische Schlauheit verbunden mit der nordischen List eines bei den Völkischen beliebten Anwalts. Was immer Martin geschieht, Liselotte wird zu leben haben.
    Seine Begleiter unterhalten sich halblaut: »Ob wir ihn gleich an die Wand stellen? Hoffentlich dürfen wir ihn verhören:nicht die Achtunddreißiger.« Martin wiegt den Kopf. Was für kindliche Methoden. Sie wollen, daß er seine jüdischen Angestellten entläßt. Vielleicht werden sie ihm das durch Mißhandlungen abzutrotzen suchen. Man hat Großkaufleute, Betriebsdirektoren in völkische Kasernen geschleppt, in Konzentrationslager, um ihnen ihren freiwilligen Rücktritt abzupressen oder den Verzicht auf irgendwelche Rechtstitel. Die Völkischen wollen die Industrien, die die fünfhunderttausend Juden aufgebaut haben, für sich selber. Sie wollen ihre Geschäftshäuser, ihre Stellungen, ihr Geld. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Trotzdem fühlt sich Martin im Innersten sicher. Er glaubt nicht, daß sie ihn lange dabehalten werden. Liselotte wird telefonieren, Mühlheim wird telefonieren.
    Man brachte ihn in ein oberes Stockwerk, in einen kahlen Raum. Ein Mann saß da mit vier Sternen am Uniformkragen, ein anderer an einer Schreibmaschine. Der mit den zwei Sternen meldete: »Truppführer Kersing mit einem Gefangenen.« Richtig, Truppführer heißen die mit den zwei Sternen. Man fragte Martin die Personalien ab. Dann erschien einer in einer reicheren braunen Uniform, keine Sterne am Kragen, sondern ein Blatt. Der Mann setzte sich hinter den Tisch. Es war ein ziemlich großer Tisch, ein Leuchter mit Kerzen stand darauf, eine Flasche Bier und einige nach Jurisprudenz aussehende Bücher. Der Mann warf die Bücher durcheinander. Martin beschaute sich den Leuchter. Was für eine läppische Aufmachung, dachte er, und das im Zeitalter Reinhardts. Der hat also ein Blatt am Kragen. Es ist übrigens kein »Blatt«, sondern Eichenlaub. In diesen Dingen sind sie sehr genau.
    »Sie heißen Martin Oppermann?« fragte der mit dem Eichenlaub. Das dürften sie nun endlich wissen, denkt Martin. Standarte heißt das, fällt ihm ein. Standartenführer heißt so einer mit dem Laub, das ist schon ein ganz Großer, ein Räuberhauptmann. »Ja«, sagt er. »Sie haben sich Anordnungen der Regierung widersetzt?« fragt man ihn hinter dem Leuchter. »Nicht daß ich wüßte«, sagt Martin. »In diesen Zeiten«,sagt jetzt ernst der mit dem Eichenlaub, »ist Widerstand gegen die Anordnungen des Führers eine landesverräterische Handlung.« Martin zuckt die Achseln. »Ich habe mich den Anordnungen meines Packers Hinkel widersetzt«, sagt er, »von dem mir nicht bekannt ist, daß ihm irgendeine amtliche Funktion zugewiesen worden wäre.« – »Schreiben Sie«, sagt der mit dem Eichenlaub, »der Angeklagte leugnet und macht Ausflüchte. Führen Sie den Mann ab«, ordnet er an.
    Der Zweigesternte und drei andere brachten Martin die Treppen wieder hinunter und dann noch tiefer, über schlechterleuchtete Stufen. Dies also ist der Keller, dachte Martin. Man kam jetzt vollends ins Dunkle, es ging durch einen langen Gang. Man packte Martin hart an den Armen. »Gehen Sie im Schritt, Mensch«, sagte eine Stimme. Es war ein langer Korridor, es ging um eine Ecke, um noch eine. Jemand leuchtete ihm mit einer elektrischen Lampe ins Gesicht. Nun ging es ein paar Stufen hinauf. »Bleib im Schritt, Kerl«, sagte man zu ihm und schubste ihn in den Rücken. Was für kindische Methoden, dachte Martin.
    Man mochte ihn zehn Minuten kreuz und quer geführt haben, dann stieß man ihn in einen größeren, dämmerigen Raum. Das hier sah ernster aus. Auf Lumpen und Pritschen lagen Menschen, ihrer zwanzig bis dreißig, halbnackt, blutig, stöhnend, übel anzuschauen. »Sag: Heil Hitler, wenn du wo eintrittst«, kommandierte einer von seinen Begleitern und stieß ihn in die Seite. »Heil Hitler«, sagte folgsam Martin. Sie schoben sich durch die engen Reihen der übel Anzuschauenden, Stöhnenden. Geruch von Schweiß, Kot, Blut war im Raum. »In

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