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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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gehoben zu fühlen; schade nur, daß die andern nicht sahen, wie vollkommen und ohne Vorbehalt glücklich er war. Daß er Freude hatte an Frauen, Freunden, Familie, Haus, das mochten schließlich alle verstehen. Daß er Freude hatte an Büchern, an seiner Arbeit für den Dichter Gutwetter, an seiner Arbeit am Lessing, das mochten einige verstehen. Aber das Glück, das daraus drang, daß er beides vereinte, Besitz des einen und Besitz des andern, dieses Glücksgefühl begriffen höchstens Mühlheim und François.
    Allein wenn es auch die andern nicht verstehen konnten, er wollte das Seine dazu tun, sie so glücklich wie möglich zu machen. Er beschloß, ihnen von dem Kognak vorzusetzen, den Professor Mühlheim ihm geschickt hatte, dem Kognak, gebrannt in seinem eigenen Geburtsjahr 1882.
    Schlüter brachte die Flasche, eine riesige Flasche, und die großen, bauchigen Gläser. Doch so ohne weiteres kam man nicht zum Trinken. Prokurist Karl Theodor Hintze hielt auf Formen. Es wäre eine Schande, so köstlichen Stoff wie diesen herrlich duftenden, alten französischen Kognak ohne ein paar geziemende Einleitungsworte hinunterzugießen. Mit seiner knarrenden Kommandostimme, inmitten allgemeiner Stille, gab er in schneidigen Worten dem Wunsche Ausdruck, es möchten die Geschwister Oppermann und die Firma Oppermann noch viele Jahrzehnte in dem Stande des Blühens und Gedeihens verharren, in der Prosperity sozusagen, in der wir sie jetzt sehen. Dann erst trank man.
    Sybil Rauch fuhr mit den andern weg. Wie jedesmal gab es auch heute Scherze über ihr kleines, abgetakeltes Auto. Dann, nachdem die andern außer Sicht waren, fuhr sie zurück. Sie hatte Gustav versprochen, noch eine Zeit mit ihm allein zu bleiben.
    Das Zimmer war rauchig, Schlüter und Bertha waren zu Bett gegangen, das Hilfspersonal hatte sich entfernt. Sie traten hinaus auf die Gartenterrasse. Es wahr sehr kalt, ein dunstiger Mond war, die Kiefern des Grunewaldes standen steif und still. Sybil war betroffen, wie verändert die Landschaft war; doch Gustav war sie in jedem Wechsel vertraut.
    Er schauerte in dem kalten Abend. Sie kehrten zurück, gingen bald zu Bett. Gustav, den schmalen, langen Kopf Sybils auf seiner Brust, lag müde, glücklich. Gähnend, befriedigt erzählte er ihr zum viertenmal, wie froh er sei, daß der Vertrag über die Lessing-Biographie ihm für die nächsten Jahre eine Aufgabe schaffe.
    Sybil lag wach. Da sie vor dem Morgen nach Hause wollte, lohnte es nicht, erst einzuschlafen. Neugierig, mitleidlos, fremd betrachtete sie den schlafenden Mann. Redet er sich wirklich ein, die Lessing-Biographie sei eine »Aufgabe«? Die Lessing-Biographie wird ein starker Band werden. Es gibt ein schmales Bändchen von Friedrich Wilhelm Gutwetter: »Die Aussichten der weißen Zivilisation«. Sybil Rauch schob die Unterlippe vor, verächtlich, ein ungezogenes Kind.
    Sie stand auf, zog sich an, leicht fröstelnd, leise, Gustav schlief. Sie ging ins Arbeitszimmer; sie hatte dort ihre Handtasche liegenlassen. Auf dem Sehreibtisch lag allerhand beschriebenes Papier. Sybil war ein neugieriges Mädchen. Sie kramte darin herum. Sie fand eine Postkarte: »Geehrter Herr. Merken Sie sich für den Rest Ihres Lebens: ›Es ist uns aufgetragen, am Werke zu arbeiten, aber es ist uns nicht gegeben, es zu vollenden.‹ Ihr aufrichtig ergebener Gustav Oppermann.« Sybil beschaute Anschrift und Unterschrift, las die Karte zweimal, lächelnd. Ihr Freund Gustav war ein amüsanter Herr, er wußte viele und gute Wahrheiten. Sorgfältig brachtesie die Papiere in die Unordnung, in der sie zuerst gelegen waren.
    Sie fuhr nach Hause in ihrem kleinen, offenen, schäbigen Wagen durch die kalte Nacht. Ihr Freund Gustav ist einer von den Arrivierten, ohne Zweifel. Man hat es heute sehen können, als er diese Ausstellung veranstaltete von dem, was ihn reich und glücklich macht. Sybil Rauch war ein kluges, skeptisches Mädchen, skeptisch auch sich selbst gegenüber, sie überschätzte ihr Talent nicht. Sie wußte, ihre kleinen, netten Geschichten waren sauberer herausziseliert als die durchschnittlichen Erzeugnisse, sie machte sich’s nicht leicht, sie hatte ihren eigenen Ton. Aber ihre heimliche Sehnsucht war, Größeres zu schreiben, ein großes, episches Werk, einen Spiegel der Zeit, einen Roman. »Es ist uns aufgetragen, am Werke zu arbeiten, aber es ist uns nicht gegeben, es zu vollenden.« Merken Sie sich’s, meine Dame. Merk dir’s, Sybil.
    Ihr Freund Gustav wird seine

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