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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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Betrieb der Deutschen Möbelwerke überführt werden müsse. »Klar, Oppermann?« fragte Herr Wels. »Gewiß, Herr Wels«, antwortete Martin.
    Man ging ins Detail. Erörterte die komplizierte Regelung der Fragen, wieweit die Oppermanns an der Leitung und an den finanziellen Ergebnissen der neuen Gesellschaft beteiligt sein sollten. Und jetzt, Martin spürte es mit tiefer, innerer Befriedigung, war er gut disponiert. Immer neue, glückliche Einzellösungen fand er, geschickter selbst als die klug erdachten generellen Anweisungen Professor Mühlheims. Heinrich Wels’ Bedingungen waren saftig. Aber er hatte sich ausgegeben in herrischen Forderungen repräsentativer Natur, er hattenicht mehr die Kraft, die Haken und Fallen in den schmiegsamen, komplizierten Vorschlägen Martins wahrzunehmen. Machte mit törichter Großspurigkeit Konzessionen.
    Die administrativen und finanziellen Details durchgesprochen, wurde er noch einmal ganz groß. So viele Jahre hindurch hatte ihm dieser Martin Oppermann Bitterkeit jeder Art zu schlucken gegeben. Jetzt sollte er fühlen, daß nun Heinrich Wels oben war und der andere ganz in seiner Hand. »›Wer bei Oppermann kauft, kauft gut und billig‹«, höhnte er. »Das ›billig‹ hat gestimmt. Die Deutschen Möbelwerke werden den Ton auf das ›gut‹ legen. Ihr billiger Schund«, erklärte er hart, klobig, abschließend, »wird ein für allemal aus dem neuen Betrieb verschwinden. Das neue Deutschland duldet diesen Tinnef nicht, um mich Ihrer Ausdrucksweise zu bedienen. Wir werden teurer sein, aber wir werden solid sein.« Narr, Idiot, Dämlack, weiche Birne, braune Uniform, dachte Martin Oppermann. »Gewiß, Herr Wels«, sagte er.
    Als Martin gegangen war, saß Heinrich Wels noch eine gute Weile. Mechanisch betastete er die Sterne und Schnüre seiner braunen Uniform. Er war zufrieden mit sich. Er hat es dem hochnäsigen Pack gegeben. Gut war es, den Gegner vor sich am Boden zu haben, zu spüren, wie man ihm den Fuß auf den Nacken setzt. Er hat lange warten müssen, bis an die Schwelle des Alters hat er warten müssen, aber er hat noch Kraft genug, das Erlebnis ganz auszukosten. Jetzt war es soweit. Jetzt kam die Welt wieder ins Lot. Jetzt hatten die Sterne und Schnüre seiner braunen Uniform Sinn bekommen. Jetzt saßen die Herren, die geborenen Herren, da, wo sie hingehörten, und die Emporkömmlinge lagen vor ihnen auf den Knien und hörten die Gesetze, die sie ihnen diktierten. Wie höflich dieser Martin Oppermann sein kann. »Ja, Herr Wels, gewiß, Herr Wels.« Der leise, höfliche, bescheidene Klang dieser Worte wird ihm noch auf seinem Sterbebett ein Trost sein. Er rief sich ins Gedächtnis zurück die Stunde, da Martin Oppermann ihn demütigte, damals in der Gertraudtenstraße. Daß sie sich man nicht schneiden, dieHerren, hatte er damals gedacht, im Aufzug. Er wußte noch genau, wie der Aufzug ausschaute und was der Liftboy für ein verwundertes Gesicht gemacht hatte über sein eigenes finsteres Antlitz. Nun hatten sie sich geschnitten, die Herren, und die Finsternis über seinem Antlitz war fort.
    Martin, nach der ungeheuren Anstrengung, fühlte sich nicht so müde, wie er erwartet hatte. Er saß in seinem Wagen, er fuhr nach der Gertraudtenstraße, vor ihm war der breite Rücken Chauffeur Franzkes. Er saß vielleicht nicht ganz so aufrecht wie sonst, aber aufrecht immerhin, ein leeres, befriedigtes Lächeln um den Mund. Ja, er war befriedigt. Er hat es lange Zeit hindurch schlecht gemacht, ein Jahr hindurch, vielleicht mehrere Jahre. Immanuel Oppermann an seiner Statt hätte längst seine Leute in Sicherheit gebracht, auch sein Geld, und das Geschäft liquidiert: aber, wie er das heute gemacht hat, damit wäre Großvater Immanuel zufrieden. Sicherlich glaubte Heinrich Wels, der Dämlack, er habe einen ungeheuren Sieg davongetragen. Es war ein Sieg wie die Siege der Deutschen im Weltkrieg. Sie haben gesiegt, und die andern haben gewonnen. »Gewiß, Herr Wels.« Er lächelte.
    Ohne Zögern setzte er sich hin und brachte die Vereinbarung zu Papier, die er mit Wels getroffen hatte. Bat Mühlheim her. Was ihm, während der Unterredung mit Wels, der Augenblick eingegeben hatte, war so fein gesponnen, daß manchmal selbst Mühlheim einige Zeit brauchte, um es in seiner ganzen Konsequenz zu erfassen. Das war Martin eine große Genugtuung. Er bestätigte die Vereinbarung, die er mit Wels getroffen hatte, ließ sie sich von diesem bestätigen.
    Es war nicht leicht, sich vorzustellen,

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