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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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»Widerrufen?« ergänzt er trocken.
    Vielleicht war es gerade diese Trockenheit, die Martin reizte. Ich bin hundemüde, sagte er sich, ich bin verdammt schlecht disponiert. Ich hätte diese Unterredung auf morgen verschieben sollen. Ich darf mich jetzt unter keinen Umständen gehenlassen. »Ich meine, vorläufig, noch gar nichts«, sagte er, es sollte freundlich klingen, aber es kam ziemlich scharf heraus. »Was, glaubst du, wird geschehen, wenn du dich weigerst?« fuhr er nach einem kleinen Schweigen fort, kühl wägend. »Wahrscheinlich werde ich dann relegiert werden«, sagte Berthold. »Das heißt«, konstatierte Martin, »du müßtest dann auf deutsche Schulen verzichten. Wohl auch auf ein späteres Leben als Akademiker in Deutschland.« Er sprach noch immer geschäftlich nüchtern, rechenhaft. Er zog seinen Zwicker heraus, putzte an ihm herum. »Du wirst begreifen, Berthold«, schloß er, »daß ich damit nicht einverstanden sein kann.«
    Berthold schaute seinen Vater an. Der saß da, gesammelt, zielbewußt. Verhandelte mit ihm wie mit einem Geschäftspartner, von dem man etwas erreichen will. So also war sein Vater, wenn es darauf ankam. Wenn es darauf ankam, verstand er nicht, worum es ging. Wollte es nicht verstehen. Er hat schon recht daran getan, daß er nicht mit ihm gesprochen hat. Aber er muß jetzt etwas sagen. Man wartet darauf. »Ich würde viel auf mich nehmen«, erklärte er vorsichtig. »wenn ich diese …« er zögerte, »Abbitte«, fand er schließlich, »nicht leisten müßte.« – »Wir haben jetzt alle manches auf uns zunehmen«, sagte verbissen, knurrig Martin, ohne den Sohn anzuschauen; es klang bösartiger, als es gewollt war. Berthold, erblassend, sog die Unterlippe zwischen die Zähne. Liselotte, ängstlich, beeilte sich zu mildern. »Ich glaube«, sagte sie, »gerade in seiner jetzigen Lage wäre es deinem Vater angenehm, wenn du dich überwinden könntest.« – »Macht es mir doch nicht so verdammt schwer«, knurrte finster Martin. »Müßt ihr es mir denn alle so schwermachen? Diese Hunde, diese gemeinen, niederträchtigen Hunde«, schrie er plötzlich.
    Berthold hatte seinen Vater niemals schreien hören. Er sprang auf, erschreckt schaute er in seine Augen, die weit aufgerissen waren, finster, rötlich. Auch Liselotte war jetzt sehr blaß. »Ich glaube, du solltest es tun, Berthold«, sagte sie, auffallend leise. »Solltest, solltest«, höhnte Martin. »Er muß es tun. Ich muß auch manches tun, was ich nicht möchte«, wiederholte er bösartig, eigensinnig.
    »Wir wollen jetzt keine Entschlüsse fassen«, bat Liselotte. »Überschlafen wir’s«, bat sie. »Niemand will dich zwingen«, redete sie auf Berthold ein. »Du sollst nichts tun, mein Junge, was du nicht aus eigenem Willen tust.« Martin, nach dem Ausbruch, hatte sich wieder gesetzt. Er preßte die Lippen fest zusammen. Sack und Asche, dachte es in ihm, Canossa, Hiob. Ich hätte erst morgen mit ihm reden sollen. Er schaute seinen Jungen an, seine Frau, aus leeren Augen. »Ich habe achtundvierzig Jahre gebraucht«, sagte er schließlich, »bis mir aufging, daß Würde manchmal überzahlt sein kann. Du bist siebzehn, Berthold. Ich sage dir, es ist so. Aber ich mute dir nicht zu, mir zu glauben.« Er sprach nüchtern, aber es war wie eine eintönige Klage. Seine Worte klangen ausgelöscht, der ganze, schwere Mann schien so erschöpft, daß Berthold und Liselotte vor dieser Müdigkeit noch mehr erschraken als vor seinem Ausbruch.
    Den Tag darauf, fünf Minuten vor elf Uhr, saß Martin Oppermann in der dritten Etage des Möbelgeschäftes Heinrich Wels & Sohn.
    Wels hat ihn auf elf Uhr zu sich gebeten. Wels ist nichtselbst am Apparat gewesen, er hat Martin durch einen Angestellten bedeuten lassen, er könne um elf Uhr kommen. Martin kam fünf Minuten vor elf.
    Man führte ihn nicht in ein abgeschlossenes Vorzimmer, sondern ließ ihn in den Verkaufsräumen warten. Die Etage war geräumig, luftig, peinlich sauber. Ordnung war bei Heinrich Wels & Sohn. Martin Oppermann hatte Zeit, das zu konstatieren, denn man ließ ihn lange warten.
    Da saß er auf einem Stuhl, der eigentlich zu klein war für den schweren Mann, aufrecht, in unschöner Haltung, bemüht, unbewegt vor sich hin zu schauen, nicht rechts noch links. Der Geschäftsgang war still. Dennoch war viel Leben rings um Martin Oppermann. Die Angestellten liefen ab und zu und machten sich zu tun. Sie beschauten neugierig den Chef des Möbelhauses Oppermann, der hockte und

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