Die Gesellschaft des Abendsterns
gruselige Holzpuppe.
Seth regte sich stöhnend. Er versuchte, sich zu strecken, aber in der Enge des Kokons war das nicht möglich. Als ihm dämmerte, wo er sich befand, war Seth mit einem Mal hellwach. Wie lange hatte er geschlafen?
Er öffnete die Augen und stellte zu seiner Überraschung fest, dass das Innere des Kokons von einem sanften grünen Schimmer erhellt wurde, als dringe Licht von außen herein. Im Kokon war es ungewöhnlich ruhig. Schlief Ollock etwa? Und warum war es plötzlich heller? War das Licht so stark, dass es durch Ollocks Körper bis in den Kokon drang?
Seth wartete. Nichts veränderte sich. Schließlich begann er zu schreien und versuchte, den Kokon zu erschüttern, indem er sich von einer Seite auf die andere warf. Es kam kein Brüllen, kein Knurren, der Kokon neigte sich lediglich leicht zur Seite, wenn Seth seine Position veränderte. Um ihn herum waren nur Stille und der gleichmäßige gedämpfte Lichtschein.
Befand sich der Kokon etwa nicht mehr in Ollock? Hatte er ihn ausgehustet wie ein Knäuel Haare? Vielleicht war der Kokon unverdaulich! Seth wagte kaum, auf so viel Glück zu hoffen. Aber es würde das Ausbleiben der Knurrlaute und dieses seltsame Licht erklären. War Opa zu seiner Rettung gekommen? Wenn ja, warum gab ihm dann niemand ein Zeichen, den Kokon zu öffnen?
Konnte es eine Art Trick sein? Würde Ollock ihn abermals verschlingen, sobald er den Kokon öffnete? Oder war
er noch immer bei dem Wiedergänger in dem verfluchten Hain? Seth glaubte es nicht. Er spürte nicht einmal einen Anflug von der furchtbaren Angst, die ihn unwillkürlich in dem Hain überkommen hatte.
Seth beschloss zu warten. Übereiltes Handeln hatte ihn oft genug in Schwierigkeiten gebracht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lauschte konzentriert auf irgendeinen Hinweis darauf, was außerhalb des Kokons vor sich ging.
Bald wurde Seth zappelig. Mit Langeweile war er noch nie gut zurechtgekommen. Solange die Bewegungen des Dämons den Kokon durchgeschüttelt hatten und die Stille immer wieder von wildem Knurren unterbrochen worden war, war Seth mit allen Sinnen angespannt gewesen, er hatte etwas gehabt, das ihn ablenkte. Dieses reglose Schweigen hingegen war gnadenlos.
Wie viel Zeit war verstrichen? Die Zeit schritt immer langsamer voran, wenn er sich langweilte. Er konnte sich an Schulstunden erinnern, bei denen er das Gefühl gehabt hatte, seine Uhr wäre kaputt. Jede Minute fühlte sich an wie ein ganzes Leben. Aber das hier war schlimmer. Keine Klassenkameraden, mit denen er Späße machen konnte. Kein Papier, auf das er kritzeln konnte. Nicht einmal die monotone Stimme eine Lehrers, die der Eintönigkeit eine Gestalt gab.
Seth begann an der Wand des Kokons zu zupfen. Er hatte nicht vor, sich aus seinem Gefängnis zu befreien, er wollte lediglich feststellen, wie schwer es werden würde. Während er arbeitete, verzehrte er einen Teil der Wand.
Schon bald hatte er in die Wand vor seinem Gesicht ein ziemlich großes Loch gebohrt. Während er immer tiefer grub, veränderte sich die Beschaffenheit der Wand, sie wurde breiig wie Erdnussbutter. Es war der Teil der Wand,
der bisher am besten schmeckte. Der Geschmack erinnerte ihn vage an Eierlikör.
Nachdem er die Eierlikörpaste abgekratzt hatte, stieß er auf eine Membran. Sie war glitschig und zitterte wie Wackelpudding, wenn er dagegenklopfte. Seth bohrte mit dem Finger ein Loch hinein, woraufhin eine klare Flüssigkeit durch die kreisrunde Öffnung quoll und ihn durchnässte.
Seth stieß auf eine harte durchsichtige Schale. Im Kokon war es jetzt noch heller, silbriges Licht fiel herein und verdrängte den grünen Schimmer. Er befand sich ganz offensichtlich nicht mehr in Ollock. Und die ganze Zeit über hatte er nichts gehört oder gespürt, was darauf hindeutete, dass Ollock auch nur in der Nähe war.
Wer wusste, ob er noch einmal eine solche Chance bekommen würde? Er musste versuchen zu fliehen. Der Dämon konnte jederzeit zurückkehren. Seth begann auf die Schale einzuhämmern. Seine Knöchel schmerzten, aber die Schale begann bereits zu splittern. Schon bald brach seine Hand hindurch, und ungefiltertes Sonnenlicht flutete herein.
Seth arbeitete hektisch weiter, um das Loch zu vergrößern. Es dauerte länger, als ihm lieb war. Jetzt, da sein schützender Kokon aufgebrochen war, wollte er so schnell wie möglich hinaus, bevor irgendeine Kreatur des Weges kam, um ihn erneut in die Mangel zu nehmen.
Endlich war das Loch so
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