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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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schließlich die Augenlider schwer wurden. Er glitt hinüber in einen tiefen Schlaf.
     
    Mendigo ließ Kendra zu Boden fallen. Ein dicker Blumenteppich dämpfte ihre Landung. Die Luft roch nach Blüten und Früchten. Obwohl Kendra die Orientierung verloren hatte, während Mendigo mit ihr durch den Wald gerannt war, wusste sie, wo sie waren: an der Stelle, an der einst die Vergessene Kapelle gestanden hatte. Mendigos letzter Befehl von Muriel musste gelautet haben, Kendra zur Kapelle zu bringen.
    Kendra hatte sich die ganze Zeit über heftig zur Wehr gesetzt, sich gewunden und gezappelt. Sie hatte Mendigo gegen den Kopf getreten und versucht, seine Gliedmaßen aus den Gelenken zu hebeln. Aber die riesige Marionette war unbeirrt weitergelaufen und hatte lediglich ihren Griff verändert: Mal trug er sie mit dem Kopf nach unten, dann legte er sich Kendra über die Schulter, mal rollte er sie zu einem Ball zusammen. Ganz gleich, wie sehr sie sich auch wehrte, Mendigo stellte sich jedes Mal darauf ein.
    Kendra lag der Länge nach ausgestreckt auf einem Bett aus Wildblumen unter einem sternenlosen Himmel. Die düstere Nacht war mild und erfüllt von kräftigen Gerüchen. Mendigo ging in die Hocke und begann zu graben. Er bohrte seine hölzernen Finger in die Erde und warf Steine beiseite, wenn er auf welche stieß. Irgendwo unter dem Hügel war Muriel, eingekerkert mit Bahumat. Anscheinend hatte der Befehl nicht nur gelautet, dass er Kendra zur Kapelle bringen sollte, sondern sie zu ihr, Muriel, zu bringen.
    Kendra sprang auf die Füße und rannte den Hügel hinunter. Sie war keine sechs Schritte weit gekommen, als Mendigo
auch schon von hinten gegen sie krachte und sie zu Fall brachte. Gemeinsam rollten sie über den Boden, und Kendra verrenkte sich den Rücken. Sie kreischte, während Mendigo mit unnatürlicher Kraft ihre Arme und Beine umklammerte.
    Zumindest konnte er nicht graben, solange er sie festhielt. Was würde geschehen, wenn er es schaffte, einen Tunnel bis hinunter zu Muriel zu graben? Könnte die Hexe ihrem hölzernen Diener dann neue Befehle geben? Würde sie sich mit Vanessa in Verbindung setzen und fliehen?
    »Du bist in einer hübschen Zwangslage«, kicherte eine winzige Stimme. Sie war hoch und melodisch, wie das Läuten einer kleinen Glocke.
    Kendra drehte den Kopf. Eine gelbe Fee schwebte vor ihrem Gesicht und verströmte einen goldenen Schein. Sie trug ein schimmerndes Gewand aus feiner Seide, hatte Flügel wie eine Hummel und zwei Fühler. »Gegen ein wenig Hilfe hätte ich nichts einzuwenden«, erwiderte Kendra.
    »Eine Heldin von deinem Ruf sollte keine Probleme haben, mit einem so schwächlichen Gegner fertigzuwerden«, entgegnete die Fee nur.
    »Du wärst überrascht, wie stark er ist«, verteidigte sich Kendra.
    »Seine Magie ist schwach«, meinte die Fee naserümpfend. »Muriel wird von mächtigen Zaubern gefangen gehalten. Ihre Willenskraft stützt die Formeln nicht mehr, die sie hinterlassen hat. Und doch fällt dir nichts Besseres ein, als mich um Hilfe anzubetteln. Verzeih mir, wenn ich nicht besonders beeindruckt bin.«
    Mendigo zerrte Kendra den Hügel hinauf auf die Stelle zu, an der er angefangen hatte zu graben. »Ich bin offensichtlich in Schwierigkeiten«, räumte Kendra ein. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«

    Die Fee lachte, ein zwitscherndes Geräusch. »Wie drollig! Die große Kendra Sørensen wird von einer Marionette durch den Schmutz geschleift!«
    »Du tust so, als würde ich mich für etwas Besonderes halten«, sagte Kendra. »Aber ich weiß, dass ich nur ein Mädchen bin. Ohne die Hilfe von euch Feen wäre ich im letzten Sommer gestorben.«
    »Falsche Bescheidenheit ist noch beleidigender als unverhohlener Stolz!«, schnaubte die Fee.
    Mendigo hob Kendra hoch, rollte sie erneut zu einem Ball zusammen und hielt ihre Arme fest an ihren Körper gepresst. Dann grub er mit den Füßen weiter. »Sehe ich so aus, als hätte ich Grund, mich irgendjemandem überlegen zu fühlen?«, gab Kendra zurück.
    Die Fee schwebte näher heran und blieb direkt vor Kendras Nase stehen. »Die Magie in dir ist überwältigend. Neben dir ist er nicht mehr als eine Kerze im Vergleich zur Mittagssonne.«
    »Ich weiß nicht, wie ich sie benutzen kann«, sagte Kendra.
    »Frag mich nicht«, erwiderte die Fee. »Du bist die eine Auserwählte, die zu ehren unsere Königin sich entschieden hat. Ich kann dir nicht zeigen, wie du deine Magie anzapfen kannst, ebenso wenig wie du mich lehren kannst,

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