Die Gesellschaft des Abendsterns
kommen.
Nicht eine einzige Spur, der er hätte folgen können, führte von der Lichtung weg, aber das Unterholz war nicht allzu dicht, also wählte er einfach eine Richtung und machte sich auf den Weg. Nach einer Weile gewöhnte er sich daran, dass sein Körper verschwand, wann immer er stehen blieb, und dann wieder auftauchte, wenn er weiterging. Seine oberste Priorität war, einen Orientierungspunkt oder einen Ausguck zu finden, mit dessen Hilfe er feststellen konnte, wo er war. So wie die Dinge im Moment standen, konnte ihn jeder Schritt weiter vom Haupthaus wegführen.
Er traf auf zwei Rehe. Sie hielten inne und schauten in seine Richtung. Seth blieb reglos stehen und wurde unsichtbar. Die Rehe liefen davon. Hatten sie seine Witterung aufgenommen?
Ein Stück weiter entfernt erblickte er eine große schwarze Eule, die auf einem Baum saß. Sie drehte ihren gefiederten Kopf in seine Richtung, die runden Augen weit aufgerissen. Seth hatte gar nicht gewusst, dass Eulen so groß oder so schwarz sein konnten. Selbst während er reglos und unsichtbar dastand, schienen ihn die goldenen Augen direkt anzustarren. In diesem Moment wurde Seth klar, dass er keine Milch getrunken hatte. Es war ein neuer Tag, und er
hatte geschlafen. Er konnte die wahren Gestalten magischer Kreaturen nicht erkennen. Die Eule konnte alles Mögliche sein. Die Rehe konnten alles Mögliche gewesen sein.
Er dachte an Ollock. Hatte der Dämon wirklich so große Ähnlichkeit mit einer Statue gehabt, oder war das nur eine weitere Illusion gewesen?
Seth machte ein paar Schritte zurück und beäugte den großen Vogel, während er in einem großen Bogen um ihn herumging. Die schwarze Eule rührte sich nicht, aber der Blick ihrer goldenen Augen folgte Seth, bis er außer Sicht war.
Kurze Zeit später traf Seth auf einen ungewöhnlichen Pfad. Er musste einmal eine breite gepflasterte Straße gewesen sein, aber jetzt war er mit Unkraut und zarten jungen Bäumen überwuchert. Viele der Pflastersteine fehlten oder waren unter Pflanzen versteckt, aber etliche von ihnen konnte er sehen, und sie halfen ihm, der Straße zu folgen. Seth hatte in Fabelheim noch nie einen gepflasterten Weg gesehen, und obwohl die Straße verfallen war, fand er, dass es wahrscheinlich sicherer war, einer alten Straße zu folgen, als ziellos durch den Wald zu streifen.
Der Pfad war sehr uneben, viele der von Farnen bedeckten Pflastersteine waren schief oder locker und zwangen Seth, auf seine Schritte zu achten, weil er sonst Gefahr lief, sich einen Knöchel zu verstauchen. An einer Stelle blieb er stehen, als sich eine lange Schlange durch das Unkraut wand. Er hielt den Atem an, unsicher, ob es wirklich eine Schlange oder etwas Gefährlicheres war, das sich nur tarnte. Die Schlange schien ihn nicht zu bemerken.
Seth kam an den verrottenden Überresten einer bescheidenen Hütte vorbei, die nicht weit von dem Pfad entfernt stand. Zwei Mauern und ein steinerner Schornstein waren teilweise unversehrt geblieben. Ein Stück weiter entdeckte
er die Trümmer eines kleinen Verschlags, der bis zur Unkenntlichkeit verfallen war. Er mochte früher einmal als Schuppen oder Scheune gedient haben.
Seth kam noch an einigen weiteren Ruinen von primitiven Behausungen vorbei, bis die Straße ihn auf ein offenes Gelände führte, wo er plötzlich vor einem beeindruckenden Herrenhaus stand. Verglichen mit der Straße und den anderen Gebäuden, die er gesehen hatte, war dieses Haus überraschend gut intakt. Das Herrenhaus war dreigeschossig, und an seiner Front ragten vier große Säulen auf. Die Mauern waren weiß, und alle Fenster wurden von schweren grünen Fensterläden verdeckt. Blühende Kletterpflanzen wanden sich um die Bäume und wucherten an den Mauern. Die Straße endete vor dem Herrenhaus in einer kreisrunden Auffahrt.
Seth erinnerte sich daran, etwas über ein verlassenes Herrenhaus irgendwo auf dem Besitz gehört zu haben. Es war früher einmal das Haupthaus von Fabelheim gewesen und das Zentrum einer Ansiedlung, zu der vermutlich auch die verfallenen kleineren Gebäude gehört hatten. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals erfahren zu haben, warum das Herrenhaus verlassen worden war.
Angesichts seiner gegenwärtigen Situation fiel ihm sofort auf, dass das Herrenhaus etwas höher lag als die übrigen Gebäude. Er vermutete, dass er sich vom Dach aus würde orientieren können.
Sollte er das Risiko eingehen, das Haus zu betreten? Normalerweise hätte er das ohne zu zögern
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