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Die Gesellschaft des Abendsterns

Die Gesellschaft des Abendsterns

Titel: Die Gesellschaft des Abendsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Mull
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groß, dass Seth sich hindurchquetschen konnte. Als sein Kopf, seine Schultern und seine Arme aus dem Kokon heraus waren, erstarrte Seth vor Schreck. Ollock saß keine zehn Meter entfernt mit dem Rücken zu ihm. Der Dämon war beträchtlich gewachsen. Ollock war größer als die Elefanten, die Seth aus dem Zoo kannte, nicht nur höher, sondern auch viel dicker. Kein Wunder, dass der Dämon ihn hatte verschlucken können. Der Vielfraß war riesig!

    Seth wurde klar, dass er soeben den schlimmsten Fehler seines Lebens gemacht hatte und jetzt unweigerlich sterben würde. Warum hatte er nicht noch ein bisschen abgewartet, bis er den Kokon öffnete? Warum war er wieder so ungeduldig gewesen?
    Aber Ollock drehte sich nicht um. Der Dämon saß weiter regungslos da und wandte ihm den Rücken zu. Da nahm Seth einen schrecklichen Gestank wahr. Er betrachtete die Schale des Kokons. Sie war glatt und schimmerte wie Perlmutt, nur dass sie mit einer stinkenden braunen Substanz überzogen war. Überall lagen riesige Haufen matschigen braunen Exkrements auf dem Boden, darüber schwirrten Fliegen.
    Plötzlich begriff Seth. Er war einfach durch den Dämon hindurchgegangen, sicher aufgehoben in dem Kokon! Das war die einzige Erklärung. An einem Ende rein und zum anderen wieder raus!
    Ollock blieb regungslos. Der Dämon schien nicht einmal zu atmen. Er hockte da wie eine Statue. Und soweit Seth sehen konnte, lag die Lichtung, auf der er sich befand, nicht in dem Spukhain.
    Seth zappelte sich aus dem Kokon heraus und versuchte, so gut es ging, jeden Kontakt mit den Exkrementen zu vermeiden. Sobald er den Kokon verlassen hatte, schlängelte er sich durch das Minenfeld aus stinkendem Dämonendreck und schlich von dem hünenhaften Vielfraß weg. Als er gerade einem der Haufen auswich, trat er mit lautem Krachen auf einen Ast. Seths ganzer Körper verkrampfte sich. Unwillkürlich hielt er die Luft an, und erst nach mehreren Sekunden riskierte er einen vorsichtigen Blick auf den Dämon. Der Vielfraß hatte sich nicht von der Stelle gerührt und saß weiterhin vollkommen still da.
    Seth beschloss zu überprüfen, ob der Dämon tatsächlich
keine Bedrohung mehr darstellte. In einem großen Bogen ging er um ihn herum, so dass er Ollock von vorn betrachten konnte: Der Dämon saß in exakt der gleichen Haltung vor ihm wie in dem Beerdigungsunternehmen. Auch die Beschaffenheit seiner Haut war dieselbe. Der Dämon war wieder eine harmlose Statue. Seth konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er war nicht mehr zum sicheren Tod verdammt! Und Ollock der Vielfraß würde so lange versteinert bleiben, bis irgendein neues Opfer den Fehler beging, ihn zu füttern.
    Seth betrachtete seine Umgebung. Er befand sich auf einer kleinen Lichtung. Ihm war klar, dass er überall im Reservat sein konnte. Er musste sich irgendwie orientieren.
    Seth wünschte, er hätte er jetzt seine Notfallausrüstung. Doch er hatte sie im Hain fallen lassen. Das Einzige, was er jetzt noch besaß, war der Handschuh, den Coulter ihm gegeben hatte. Er zog ihn heraus und streifte ihn über.
    Sobald er den Handschuh angezogen hatte, konnte Seth sich selbst nicht mehr sehen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, als wäre nichts mehr von ihm übrig bis auf zwei durchsichtige Augäpfel. Er hob seine Hände vors Gesicht. Wenn er sie bewegte, konnte er sie einen Moment lang sehen. Aber wenn er ganz stillhielt, konnte er nicht nur durch seine Hände hindurchschauen, auch von seinem Körper war nicht das Geringste zu sehen. Es war, als bestünde er nur noch aus Luft.
    Der Handschuh saß ein wenig locker, passte aber gerade noch. Glücklicherweise hatte er Coulter gehört und nicht Tanu. Solange Seth ihn anbehielt, würde er einen gewissen Schutz bieten, während er versuchte, herauszufinden, wo er war.
    Die Sonne stand zu hoch, um sich an ihr zu orientieren. Und da er keine Ahnung hatte, wo im Reservat er sich befand,
hätten ihm die Himmelsrichtungen ohnehin nicht viel geholfen. Er brauchte einen Orientierungspunkt. Seth bahnte sich einen Weg zwischen den Dunghaufen hindurch  – der größte Haufen ragte ihm bis zur Taille  – und lief zur Mitte der Lichtung. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Seth da und hielt Ausschau. Aber die Bäume ringsum waren zu hoch, er konnte nicht das Geringste sehen.
    Seth warf einen Blick auf den Dämon. Wenn er auf Ollock hinaufkletterte, würde er etwa fünf Meter höher stehen, aber er wollte auf keinen Fall in die Nähe dieses Mauls

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