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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Parkettleiste unter ihrem Schreibtisch im Büro versteckt.
    Julia habe von Rosas altem Versteck gewusst.
    Sie hatte keine Ahnung, wie sie darauf gekommen war. Vielleicht weil ihr einmal der Personalausweis heruntergefallen war und sie ihn erst nach Tagen unter der Leiste gefunden hatte. Damals hatte sie gedacht: ideal für ein Versteck. »Was sie genau fotografiert hat, weiß ich nicht, nur dass es um das Attentat ging, mehr nicht.«
    »Zieh dich aus«, befahl er, dann sah er ein, dass es mit Handschellen schwierig war, und sperrte auf. Sie hielt die Luft an, als ihr Gesicht sein nasses Hemd streifte. Dass er sich wegdrehte, verlangte sie nicht von ihm, doch als sie ihren BH aufhakte, packte er auf einmal ihren Rock und die Bluse, holte sich selbst ein frisches Hemd aus dem Schrank und ging hinaus. Lange stand sie nackt vor den Kleidern ihrer Rivalin; auch wenn die Sachen in der Qualität ihrem früheren Geschmack ähnelten, waren sie doch alle etwas farbloser, nichtssagender. Aber vielleicht kam ihr das nur so vor.
    Einen Moment spielte sie die Möglichkeiten einer Flucht durch. Aus dem Fenster im ersten Stock. Sie würde sich den Knöchel verstauchen, vielleicht sogar brechen, wenn sie unten aufschlug, und was dann? Bis zur S-Bahn zurück war es weit. Ein Auto aufhalten, wenn in diesem Kaff überhaupt welche vorbeikamen, und den Fahrer bitten, sie Richtung München mitzunehmen? Oder sich zuerst einmal irgendwohin zurückziehen, wo sie über alles nachdenken konnte, was geschehen war? Nein, er wusste, dass sie keine Wahl hatte, er war der Herr über ihr Leben, und sie musste sich fügen und mitspielen. Aus einer Schublade mit edler Unterwäsche nahm sie sich einen schwarzen Slip, der ihr groß genug erschien. Julia hatte Recht gehabt, seit der Geburt ihres Sohnes hatte sie zugelegt. Alle Büstenhalter ihrer Nachfolgerin schienen einem Teenager zu gehören, mit verstärkten Cups, maximierend, statt minimierend. Sie entschied sich für einen etwas dünneren Seiden- BH ganz unten im Fach; als sie ihn herauszog, stießen ihre Finger auf etwas Kaltes, Hartes. Eine Waffe. Rosa hielt inne. Sollte sie sich den Weg freischießen? Wenn sie einmal getötet hatte, war das zweite Mal fast egal. Einmal lebenslänglich, mehr konnte sie nicht kriegen.
    Es war ein kleiner silberner Revolver, sie wog ihn in der Hand, fast wäre er ihr heruntergefallen, so zitterte sie. Wo befanden sich die Kugeln – oder war die Waffe bereits geladen? Sie wühlte in der Schublade, da waren keine. Sie merkte, dass sie gar nicht wusste, wie man mit so einem Ding umging. Sie hob den Revolver an, versuchte den Hahn zu spannen, davon hatte sie gehört. Sie legte den Daumen darauf, zielte auf die Tür. Plötzlich schob sich das Gesicht ihres Kindes vor ihr inneres Auge. Sie hatte ihren Sohn auf dem Gewissen, er litt wegen ihr, und jetzt hatte sie auch noch eine Frau ermordet. Was, wenn sie den Kerl nicht gleich traf oder nur schwer verletzte? Würde sie es schaffen, noch einmal abzudrücken und noch einmal, bis er sich nicht mehr rührte? Sie legte den Revolver in die Schublade zurück und zog den BH an. Selbst bei der weitesten Hose brachte sie den obersten Knopf nicht zu, dann musste sie eben den Blazer zuknöpfen, damit man es nicht sah. Nun noch die Haare aufstecken und die Augen zukleistern mit allem, was die Palette des Schminktischchens hergab.
    In der Küche wartete er mit einem Glas in der Hand; er senkte den Blick, als sie die Treppe herunterkam. Absurd, wie bei einem Ehepaar, das sich auf einen Theaterbesuch vorbereitete. Nur dass er sich bei ihrem Anblick nicht freute, sondern verschluckte. Er hustete und versprühte Whisky oder was es war. Die Ähnlichkeit mit der Toten herzustellen musste ihr also gelungen sein. Rosa brauchte noch ihre Tasche, die hatte sie nicht mal mehr eingeräumt. Sie zögerte ins Wohnzimmer zu gehen.
    »Falls du deine Sachen suchst, die behalte ich als Pfand.« Er lachte gequält. Ausweis, Geld, ein Foto von ihrem Sohn, einfach alles.
    Er befahl ihr, in den schwarzen BMW einzusteigen, der in der Auffahrt parkte. Auf der langen Fahrt am See entlang und dann auf die Autobahn nach München sprach er kein einziges Wort. Wenigstens hatte er sich gewaschen und umgezogen. Sein Feuermal glänzte wie poliert. Er roch nach Seife, erst am Mittleren Ring schob sich wieder ein Schweißfaden darunter. Julias Stiefel waren eine Nummer zu klein. Sie hatte den Reißverschluss nur halb hochgezogen, trotzdem schnürten sie Rosa die Waden

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