Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen
Mexiko hast du mich überwachen lassen. Du spionierst mir nach, immer und überall.« Sie schob die Knetkrümel mit den Schuhen am Boden zusammen, vermied es, ihm in die Haschpapi-Augen zu sehen, um ja nicht schwach zu werden. »Andererseits belügst du mich. Du tust so, als ob du erst überlegen müsstest, wer Rosa Salbeck ist, dabei hast du dir die Akte ausgeliehen. Und unterlass es zukünftig auch, Grüße auf rosa Zettel zu schreiben.«
»Bist du fertig?« Er wollte ihre Hand nehmen, sie steckte sie in die Hosentasche.
»Frau Salbeck war im Präsidium und hat behauptet, ihre totgeglaubte Schwester wiedergesehen zu haben. Und sie hat unseren übereifrigen Neuling, Kriminalmeister Peter Schuster, dermaßen beschwatzt, dass der sich die Akte kommen ließ. Wie es so geht, irgendwann hat er sie mir auf den Stapel gelegt, ohne was dazu zu sagen. Der Name Salbeck fiel mir erst auf, als du mich danach gefragt hast. Hast du denn was rausgefunden?«
Das würde ihm natürlich passen: über irgendwelche Fälle reden. Aber nichts da. So interessant es auch sein mochte, jetzt kam erst mal er selbst an die Reihe. Sie nahm erneut Anlauf. »Ich will mein eigenes Leben führen, und du engst mich ein, wenn du dich in alles einmischst.« Sie redete schnell, er sollte sie nicht noch einmal unterbrechen oder sich rechtfertigen. Sie legte alle Kraft in ihre Stimme. » HÖR ENDLICH AUF DAMIT .« Nun war es gesagt, sie bebte.
Er runzelte die Stirn. Sollte er ruhig schweigen, es als weitere erfolgreiche Vernehmung verbuchen, Hauptsache, er respektierte es ein für alle Mal.
Vorsichtig griff er nach ihrem Handgelenk, zog es aus der Hosentasche und löste ihre zur Faust geballten Finger. Nach einem Blick auf sein Gesicht ließ sie es geschehen. »Ich muss dir auch was sagen. Deine Mutter … « Er schien mit sich zu ringen. Draußen polterten Leute im Gang.
»Hat Mama endlich mit dir gesprochen wegen ihrer Nase?«
»Ihrer Nase?« Er sah sie verwirrt an. »Nein, nicht Silvia, ich … «
Ihre Chefin und die Kollegen drängten herein. Nusser balancierte ein Tablett mit Sekt auf der erhobenen Hand. Sie bestaunten die Gesichtsrekonstruktion und gratulierten ihr. Carina wand sich in all den Komplimenten wie in Essig.
Was hatte ihr Vater ihr bloß sagen wollen?
39.
München, 1996
Auf dem Parkplatz des Innenministeriums reichte er ihr Julias Chipkarte und ihre randlose Brille, die sollte sie gegen ihre eigene tauschen.
»Na, Julia, schon wieder gesund?« Eine Frau, die Rosa nur undeutlich sehen konnte, winkte ihr von weitem und verschwand im Eingang. Julia musste weitsichtig gewesen sein. Rosa linste über den Brillenrand und wollte der Frau nach drinnen folgen.
Er hielt sie zurück. »Julia war beim Arzt und hat nur was im Büro vergessen«, schärfte er ihr ein. »Sie ist weiter krankgeschrieben, vergiss das nicht.«
Auf einmal bemerkte Rosa einen Mann, der sich ihm lautlos von hinten näherte; er zwinkerte Rosa zu, dann stieß er ihm den ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger in den Rücken. »Hände hoch oder ich schieße.«
Der Überrumpelte reckte die Arme hoch. Es klickte. Mit geübten Griffen hatte der Fremde ihm die Handschellen aus der hinteren Hosentasche gezogen, ihm einen Arm nach hinten verdreht und seine rechte Hand mit der linken zusammengekettet. »So, ich hoffe, du hast deinen Schlüssel dabei, Wennwirkurti, sonst haben wir ein Problem.« Er grinste über beide Ohren.
»Matte, was soll das, ich hab’s eilig.«
»Genauso ging’s mir damals auch, auf dem Weg zum Standesamt, weißt du noch?« Er wandte sich an Rosa. »Und wer sind Sie?« Er reichte ihr die freie Rechte.
»Julia Herbig«, sagte sie schnell, löste sich jedoch hastig aus seiner Hand, als sein Blick auf ihr abgeschürftes Gelenk fiel.
»Matthias Kyreleis, ein Exkollege von Krallinger, ich bin noch bei der Münchner Kriminalpolizei«, stellte er sich vor.
Rosa zupfte an ihren Ärmeln, wusste nicht, was sie von dem Ganzen halten sollte. Erst hatte sie geglaubt, es ginge tatsächlich um eine Verhaftung und der Polizist in Zivil hätte nur seine Dienstwaffe vergessen. Und jetzt gab es kein Zurück mehr, sie hatte sich als Julia ausgegeben.
Krallinger, so hieß der mit dem Feuermal also richtig, rang nach Fassung. »Was suchst du hier?« Er kochte buchstäblich bis in die Haarspitzen hinein. Wenn er noch ein paar Liter wegschwitzte, würde er aus den Handschellen flutschen, dachte Rosa.
»Auch ich komme mal an die Reihe, Kurti.« Kyreleis klopfte
Weitere Kostenlose Bücher