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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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ab. Der Druck half ihr, alle anderen Gedanken auszusperren, sie konzentrierte sich darauf, dagegen anzuatmen. Was, überlegte sie, wenn der Typ nicht die abgesprochene Route nahm, wenn er ihr nicht glaubte, zum Bundeskriminalamt fuhr oder zur Polizei? Beim Warten an den Ampeln in der Innenstadt war sein Hemd schon wieder voller Schweißflecke und der Gestank beißend.

38.
    Wenige Minuten nachdem er die Eltern des ermordeten Mädchens hinausbegleitet hatte, kehrte Matte mit seiner grünen Plastiktüte zurück. »Sie bestehen darauf, zu Fuß nach Hause zu gehen«, erklärte er, ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder und rieb sich die Lider, was seine Augenringe zum Leuchten brachte.
    Carina schob Skizzenbuch und Handy in ihre Tasche und schaltete den Computer aus. »Kommst du mit, eine Kleinigkeit essen, irgendwo hier in der Nähe?«
    »Großartig.« Matte rührte sich nicht, starrte auf die Skulptur.
    »Na, dann los«, forderte sie ihn auf.
    »Nein, ich meine deine Arbeit, wie du das hingekriegt hast.«
    »Ja, Teil eins, die Identifikation ist geschafft. Mein Beitrag.« Sie betonte das »mein«. »Und deine Sache ist es jetzt, den Mörder zu finden. Nun komm, ich muss dir sowieso was sagen.«
    Er machte keine Anstalten aufzustehen. Sein Blick hing wie gebannt an der Nachbildung von Maries Gesicht. »Ich habe es mir nicht richtig vorstellen können und war schon so gespannt. Man sieht zwar, dass es aus Knete ist, aber gleichzeitig wirkt es so lebensecht. Die Augenlider bis in den Winkel hinein, der Glanz. Die Rotzrinne zwischen Nase und Mund … oder wie das heißt.« Er berührte den Kopf, wie vorhin Herr Preuss.
    »Das Philtrum meinst du. Im Mutterleib wächst das Babygesicht aus einzelnen Teilen zusammen, einmal von oben nach unten und von den Seiten zur Mitte. Genau da, wo diese Gesichtsteile aufeinandertreffen, entstehen zwei Nahtstellen und damit diese Rinne unter der Nase. Es könnte natürlich auch der Fingerabdruck sein, den ein Engel hinterlässt, wenn ein Kind geboren wird. Jedenfalls freut’s mich, dass dir der Kopf gefällt, Papa. Aber jetzt los. Mir knurrt der Magen.« So viel Lob auf einmal bekam sie von ihrem Vater sonst nie. Noch einmal kramte sie ihr Handy heraus, keine neue Nachricht. »Habt ihr eigentlich was von Wanda gehört? Sandro war gestern bei mir, sie hat ihn abends nicht abgeholt. Deshalb hab ich ihn dann heute in den Kindergarten gebracht. Hat sie sich bei euch gemeldet?«
    Matte seufzte. »Wenn ihr der Kerl zu viel wird, meldet sie sich schon wieder.«
    »Welcher Kerl?«
    Matte zuckte mit den Schultern.
    Dann war ihre Schwester also nicht zum ersten Mal mit einem Liebhaber unterwegs. Im Grunde ging es sie nichts an, Hauptsache, Sandro wurde nachmittags abgeholt.
    »Dieser Glanz in den Augen und überhaupt.« Ihr Vater war mit seiner Lobrede noch nicht am Ende. »Der Zeitungsausschnitt aus Mexiko mit deiner Rekonstruktion war ja nur in Schwarz-Weiß.« Er räusperte sich und wartete; als sie nicht nachfragte, redete er hastig weiter. »Toll, wirklich! Ein würdiges Bildnis hast du geschaffen, als würde Marie noch leben. Sag mal, da ist doch der Originalschädel drunter, oder?«
    »Ja. Nachher fotografiere ich den Kopf aus allen Perspektiven und nehme die ganze Knetmasse wieder ab. Das Plastilin ist leicht ölig und lässt sich spurlos wieder ablösen, so dass die Familie den Leichnam vollständig beerdigen kann.«
    Er zog einen Umschlag aus der Plastiktüte. »Willst du Fotos von Marie sehen?« Zwischen einigen Tatortfotos von Eva Bretschneiders Wohnung suchte er ein Passbild heraus. Marie, ernst in die Kamera blickend, dann auf einem weiteren Bild fröhlicher, im Bikini auf einem Handtuch. Marie beim Abschlussball, wie sie mit ihrem Vater tanzte, und ein Schnappschuss, vors Objektiv gequetscht; ihre Hand, die auf den Auslöser gedrückt hatte, war schärfer als der Hintergrund. Sommersprossen sprenkelten ihre Haut; die hatte Carina nicht erahnen können. Aber sonst war ihr die Ähnlichkeit gelungen. Die Augenbrauen wirkten natürlich gewachsen. Nur war Marie in Wirklichkeit fröhlicher gewesen als ihr Ebenbild.
    »Warum hast du nach der Gesichtsoperation gefragt?«, wollte ihr Vater wissen.
    Carina ließ den Computer noch einmal hochfahren und zeigte ihm die Röntgenbilder der Spielplatztoten, die jetzt einen Namen bekommen hatte. »Marie Preuss« und das Geburtsdatum tippte sie ein. »Siehst du hier auf dem Kieferknochen diese Kerben? Gleichmäßige Rillen, so als hätte der

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