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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Skizzenbuch notiert hatte, wählte die Nummer und bat um Auskunft. Hektisch, zwischen zwei Patienten, erklärte die Zahnärztin, dass das Bundeskriminalamt damals alle Unterlagen beschlagnahmt hätte.
    »Seit wann war Rosa bei Ihnen?«, fragte Carina.
    »Soviel ich mich erinnere, seit 1993, seit ich die Praxis hier betreibe.«
    »Wissen Sie vielleicht, bei welchem Zahnarzt die Salbecks vorher waren?«
    »Nein, tut mir leid. Vielleicht bei meinem Vorgänger, Dr. Seltenlach, ja, der heißt wirklich so. Aber der ist bereits im Ruhestand.« Bohrersirren erklang. »Ich verbinde Sie mit meiner Hilfe, die kann Ihnen die Nummer raussuchen.« Den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt wartete Carina, betupfte die Oberfläche der Rekonstruktion mit feinem Schmirgelpapier, verlieh so dem glänzenden Plastilin eine hautähnliche Struktur.
    Dr. Seltenlach, den Carina gleich anschließend anrief, konnte sich tatsächlich an die Salbeck-Schwestern erinnern. Die eine habe Kraut-und-Rüben-Zähne gehabt, die andere ein Hollywoodgebiss. Aber welche der beiden die schiefen Zähne und welche die geraden gehabt hatte, das habe er vergessen. Leider besitze er auch keine Unterlagen mehr, die habe er alle seiner Praxisnachfolgerin überlassen.
    Vielleicht waren die beiden Schwestern also bereits in der Zahnpraxis verwechselt worden, dachte Carina. Und womöglich hatte dort jemand den Fehler bemerkt, das eine Röntgenbild abgeschnitten und die richtigen Daten aufgeklebt.
    Ihr Vater betrat mit einer Plastiktüte raschelnd ihr Arbeitszimmer. Zeit für die Gegenüberstellung. Carina hakte die Salbeck-Sache vorerst ab. Sie bedankte sich bei Dr. Seltenlach und legte auf.

35.
    Feldafing, 1996
    »Wo ist Felix?«, fragte Rosa sofort und noch ein Dutzend Mal in den nächsten Minuten. Aus ihrer Starre erwacht, versuchte sie einen klaren Gedanken zu fassen. Was machte er hier, warum er? Sie wollte nicht zulassen, was sie langsam begriff. Wegen eines Missverständnisses hatte sie gemordet. Julia war gar nicht mit Felix zusammen, sondern mit ihm, Felix’ Freund, dem schwitzenden Typen mit dem Feuermal. Inzwischen wucherte es ihm den Hals hinunter, hatte sich dunkel verfärbt wie Julias Kopfwunde. Wie hieß er noch gleich? Hatte er sich damals, als sie Felix kennenlernte, überhaupt vorgestellt? Sein beißender Geruch, wie hatte sie den nur vergessen können? Sein blaues Hemd war voller nasser Flecken, und als er sich über Julia beugte, um ihren Puls zu fühlen, wanderte der Schweißfleck von seiner Achsel nach oben und schloss sich über der Schulter. Warum achtete sie bloß auf so was, es gab Wichtigeres als ein durchgeschwitztes Hemd. »Wo ist Felix?«, fragte sie.
    Er richtete sich auf, kurz davor, sich auf sie stürzen, dann hielt er inne. »An dir mache ich mir nicht die Finger schmutzig.« Er zog die Antenne seines Funktelefons heraus, schob sie wieder hinein, ging zur Tür, kam zurück. Sie rührte sich kaum, folgte seinen Bewegungen nur stumm mit den Augen wie einer Vorführung. Fast tat er ihr leid, doch sie konnte ihm nicht helfen, ihm nicht und sich nicht. Sie hatte alles verloren, alles zerstört, sie hatte getötet. Doch sie fühlte nichts, kein Gestern, kein Morgen. Ganz in der Ferne gab es etwas, jemanden, zwei Menschen, die nichts davon erfahren durften. Sie sah sie in sich gespiegelt wie in einer Glaskugel, an der Blut klebte. Ihre Schwester und ihr Sohn, dem es hoffentlich besserging. Sie durften nicht beschmutzt werden. Julias Geliebter zog Handschellen aus der Tasche, packte Rosa grob, klemmte ihre Gelenke in den Stahl. Ihr war das nur recht, hoffentlich zerrieben sich ihre Mörderhände darin, dachte sie, als es klickte. Er trug keine Polizeiuniform, oder hatte er die Jacke draußen gelassen? Vielleicht war er Kriminalbeamter? Dann hätten sie einen Dreier gebildet, er, Felix und Julia, um Rosa als Agentin zu werben. Was war sie naiv und eingebildet gewesen. Hatte geglaubt, eine junge Tippse eifere ihr, der tollen Chefsekretärin nach, dabei war alles inszeniert gewesen. Erst jetzt nahm sie wahr, dass er sie beschimpfte. Von einer Schere faselte er. Sie schluckte, strengte sich an, seine Worte zu verstehen, formte die Buchstaben nach. Dann endlich begriff sie, dass er »Scherereien« meinte. Scherereien, die er mit ihr hatte, die er immer hatte, weil er den Dreck fürs BKA beseitigten musste. Ja, Dreck war sie, das spürte sie deutlich. Doch da lag auch seine Geliebte, war sie auch Dreck für ihn? Willenlos ließ sie sich

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