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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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sechs Flaschen auf meine Kosten… ach! Was soll’s? Vergiß es! Bitte setzen Sie sich. Entschuldigen Sie, daß ich Sie so lange habe stehen lassen. Setzen Sie sich.»
    Kabria nahm Platz, sie fühlte sich wie Judas und Archimedes in einer Person. Sie brauchte ihre Fragen nicht wiederholen. Die Frau kam gleich zur Antwort. «Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, Sister, was sollte ich denn überhaupt wissen?» Sie zuckte mit den Schultern. Kabria brach der kalte Schweiß aus. War das alles, nachdem sie so kaltblütig Adades guten Ruf aufs Spiel gesetzt hatte? Und das nur wegen eines toten Mädchens, das sie nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte? ‹Zum Teufel mit dem, was du wissen solltest›, verfluchte sie insgeheim die Frau. Diese schien ihre Gedanken zu lesen und sagte schnell: «Ehrlich gesagt, ich habe mir den Leichnam nicht angesehen.» Sie machte eine Pause und wartete auf Kabrias nächste Frage.
    Doch Kabria schwieg. Sie saß da und kochte vor Wut, sie kämpfte heftig gegen das Bedürfnis an, der Frau eine auf ihre verfärbte Wange zu kleben. Glaubte die etwa, sie habe Adades Seele verkauft für eine so billige und unbrauchbare Information?
    «Wenn Sie möchten, gewähre ich Ihnen ein paar Minuten mit meiner ältesten Auszubildenden. Die in der rosa Bluse. Sie weiß mehr.»
    Kabria seufzte erleichtert. «Danke», murmelte sie. Sie trat hinaus vor den Kiosk, wo einige der Lehrmädchen auf Bänken und Stühlen saßen und über ihre Freunde und Mitbewohner tratschten, während sie die Haare ihrer Kunden auf den niedrigen Hockern vor ihnen flochten. Der mühsame Vorgang, Stück für Stück langer Strähnen von künstlichem Haar in das Kopfhaar einzuflechten, bot immer wieder einen faszinierenden Anblick.
    Das älteste Lehrmädchen, eine grobknochige, kupferhäutige junge Frau von etwa 25 Jahren, zeigte sich kooperativ. «Als ich dort ankam, hatte sich gerade eine kleine Menge um den Leichnam geschart», hob sie an. «Die Leute stritten gerade darüber, ob sie hier gestorben oder woanders und hierhin geworfen worden war. Und bevor die Polizei kam und sie wegschaffte, passierte etwas Interessantes mit einem Reporter von einem FM-Sender. Ich bin nicht sicher, welcher es war, aber…»
    «Etwas Interessantes?»
    «Ja. Zuerst hatten alle angenommen, daß das Mädchen eine Kayayoo war. Deshalb hat der Reporter einige von denen interviewt.»
    «Die Kayayoos?»
    «Ja. Aber nachdem er mit zwei von ihnen gesprochen hatte, kam ihre Chefin und sprach mit ihnen. Was es auch immer gewesen sein mag, danach jedenfalls hielten sie alle den Mund. Sie redeten nicht einmal mehr mit der Polizei. Und die beiden, die mit dem Reporter gesprochen haben, waren plötzlich verschwunden. Die Polizei hat vergeblich nach ihnen gesucht.»
    «Und was haben die beiden dem Reporter erzählt?»
    «Sie haben gesagt, daß das tote Mädchen auf gar keinen Fall eine von ihnen war. Die kennen sich alle recht gut untereinander, wissen Sie.»
    «Und welche Schlußfolgerungen haben die Leute daraus gezogen?»
    «Die Schlußfolgerung? Das ist doch wohl klar. Ist doch ganz einfach, oder? Das heißt, jemand will, daß die Leute glauben, sie wäre eine Kayayoo gewesen. Meinen Sie etwa nicht?»
    «Aber wer hat hier in dieser Gegend so viel Macht?»
    Das Lehrmädchen zuckte mit den Schultern: «Wer weiß? Sodom und Gomorrha liegt genau gegenüber.»
    Eines der anderen Mädchen mischte sich ein: «Und was ist mit dem weißen Huhn?»
    «Ach ja», erinnerte sich die Ältere. «War das nicht etwa drei Tage später? Ich glaube ja. Ich kam zur Arbeit, und da lag ein reinweißes Huhn frisch geschlachtet an jener Stelle, wo der Leichnam gefunden wurde.»
    «Was passierte dann?»
    «Ach. Einer der Priester vom Markt kam und betete darüber. Danach nahm es ein anderer Mann wieder weg. Es endete wahrscheinlich im Suppentopf seiner Frau. Es war ein ziemlich fettes Huhn.»
    Kabria bemerkte, wie eines der Lehrmädchen sie neugierig anstarrte. Sie lächelte und wandte ihren Kopf schüchtern zur Seite, als Kabria den Blick erwidern wollte.
    «Gibt es noch mehr, was Sie mir sagen können?» fragte Kabria die Ältere. Nach kurzem Nachdenken entgegnete sie: «Eigentlich nicht.» Kabria bedankte sich und verabschiedete sich auch von der Chefin. Sie warf einen letzten Blick auf die Mädchen, als sie den Salon verließ und ertappte sie dabei, wie sie sie anstarrten und flüsterten. Dann sprach die Älteste laut und vernehmlich: «Sister, es kommt uns vor, als hätten wir sie schon mal

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