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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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entgegen.
    «Aha?»
    Kabria steckte den Ausweis zurück in ihre Tasche. «Bitte! Ich bin hier wegen des Leichnams, der letzte Woche hinter Ihrem Salon gefunden wurde.»
    Die Frau schien unruhig zu werden.
    Kabria ließ keine Pause entstehen. «Ich bin hier, um Informationen zu sammeln für einen Bericht, an dem ich arbeite. Können Sie mir etwas erzählen? Irgend etwas, was Sie gehört oder gesehen haben?»
    «Sister», entgegnete sie wenig freundlich. «Hab ich dir was getan? Kennst du mich von irgendwo her? Hab ich dir den Mann weggeschnappt?»
    «Aber bitte, nein.»
    «Was kommst du dann hierher und verdirbst mir den Tag? Wohnst du hier in Accra? Aber vielleicht hast du ja Glück. Du hast jemanden im Ausland, der dir regelmäßig was überweist, dann kannst du Dollars essen, was?»
    «Nein.»
    «Doch. Du ißt Dollars. Ich seh das doch. Deshalb hast du auch keine eigenen Probleme. Hör mal», sie gab Kabria keine Gelegenheit, sie zu unterbrechen, «nur für den Fall, daß du’s noch nicht gemerkt hast, ich bin hier, um zu arbeiten und mein Essen für heute zu verdienen. Siehst du die ganzen Auszubildenden hier? Die dürfen alle was von mir erwarten am Feierabend. Außerdem muß ich noch was übrigbehalten, um für meine Tochter zu sorgen. Ich muß sie ganz alleine aufziehen. Wenn du also glaubst, du kannst einfach…»
    «Madam!»
    «Laß mich ausreden! Du glaubst also, ich mache auch noch Polizeiarbeit zusätzlich zu meinem Frisörjob? Meine Tochter… lieber Gott!» Sie verdrehte die Augen gen Himmel. «Ich danke dir, daß sie mein einziges Kind ist. Danke dir!» Dann blickte sie wieder Kabria an und fuhr fort: «Ich habe die volle und alleinige Verantwortung für sie. Und du weißt, was das heißt heutzutage, oder? Also lassen Sie mich in Ruhe und belästigen Sie mich nicht an einem einfachen Dienstagmorgen. Was geht mich das Palaver anderer Leute an. Ich kriege nicht einen Cedi von dem Mann, der der Vater meines kleinen Mädchens ist. Das einzige, was er ihr jemals gegeben hat, ist sein Nachname. Das hat ihn keinen Pesewa gekostet. Und trotzdem hat er es geschafft, daß ich auch noch dafür gezahlt habe. Er ist gekommen und hat sich sechs Flaschen Bier auf meine Kosten gekauft. Sechs! Und danach ist er für immer aus unserem Leben verschwunden. Also bitte, komm mir nicht und mach mir noch mehr Ärger. Wenn der Leichnam eines Straßenmädchens hier hinter meinem Salon gefunden wurde – na und? Was hab ich damit zu tun? Seh ich so aus, als hätte ich sie umgebracht?»
    Kabria lächelte. Sie wußte plötzlich, wie sie an die Frau herankommen konnte.
    «Weißt du was?» sagte sie ruhig. «Ich sitze in der gleichen Scheiße.»
    Die Frau runzelte die Stirn. «Was für eine Scheiße?»
    «Sister», hob Kabria an. «Glaubst du, es kommt von ungefähr, daß unsere Ältesten das Sprichwort geprägt haben: Bis du vom Los eines anderen hörst, glaubst du, du trägst das schlimmste auf der ganzen Welt? Warum stehe ich wohl hier und mache mich lächerlich und stelle Fragen, die eigentlich die Polizei stellen müßte, wenn ich nicht in der gleichen Situation wäre wie du? Du hast Gott dafür gedankt, daß du nur ein einziges Kind hast? Sister, ich habe zwei, mit denen ich fertig werden muß. Zwei! Und bin für beide ganz allein verantwortlich. Zwei!»
    Das Gefühl von Solidarität, auf das Kabria hoffte, flackerte auf wie die Flamme einer Kerze. «Du bist auch geschlagen mit einem dummen, verantwortungslosen Mann?»
    Kabria überkamen Gewissensbisse wegen Adade. Der arme Mann hatte sicherlich seine Fehler. Aber dumm und verantwortungslos? Nein. Das war er ganz bestimmt nicht. Doch, wie heißt es: lotta continua. Der Kampf geht weiter. The show must go on. «Sister», sie streckte ihre linke Hand aus. «Siehst du den Ring an meinem Finger? Er hat mich geheiratet, das ja, aber nach unserem ersten Kind ist er verschwunden, dann kam er vier Jahre später zurück, bat mich um Verzeihung, machte mir wieder ein Kind und verschwand aufs Neue. Und du weißt, wie das ist mit der Tradition, nicht wahr? Da er sich nicht offiziell hat scheiden lassen, bin ich gezwungen, seinen Ring zu tragen und mit ihm verheiratet zu bleiben. Obwohl er weg ist. Und ich muß mich ganz allein um meine zwei Kinder kümmern. Ach, Sister, jetzt kommt mein Schmerz zurück. Ach!»
    «Oh, Sister, das tut mir leid!» tröstete die Frisörin Kabria. «Ich, ach je, ich weiß auch nicht, warum ich immer wieder von diesem Blödmann anfange. Es ist nur, daß er die

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