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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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Abena.
    «Ja, Ma.» Abena nannte Kabria nie Mum, so wie ihre leiblichen Kinder. «Mir gefällt Ma besser», hatte sie einmal gesagt.
    «Abena, weißt du, es gibt ein Land, das heißt Kuba, dort gibt es ein Gesetz, das Männer zur Mithilfe im Haushalt zwingt. Vielleicht erlebst du eines Tages, wenn du deine eigene Schneiderwerkstatt eröffnest und heiratest, daß dein Mann für dich manchmal kocht?»
    «Ach, Ma.» Abena lachte verlegen und wandte schüchtern den Kopf.
    Kabria lächelte. Wie revolutionär das in Afrika wäre, sinnierte sie. Abgesehen davon, daß welche Regierung in Afrika auch immer so ein Gesetz einbringen würde, über Nacht gestürzt würde, mit Unterstützung aller afrikanischen Männer. Es würde wahrscheinlich einen Krieg der Geschlechter entfachen, in dem Söhne die Waffe gegen ihre eigenen Mütter erheben würden. Eine Gruppe von Männern freilich, die besonderen Spaß hätte in diesem Krieg wären Ehemänner, die ihren Schwiegermüttern auf dem Schlachtfeld gegenüberstünden. Sie lachte laut auf.
    «Was ist denn, Mum?» fragte Obea.
    Kabria hatte nicht bemerkt, daß ihre Tochter in der Küchentür stand. «Ach, nichts, nur ein paar blöde Phantasien», antwortete sie. «Kannst du etwas Wasser warm machen für Ottu und Essie. Es ist kalt.» Sie zögerte erst, doch dann rief sie Obea noch einmal zurück: «Das Schulheft, das ich heute morgen unter deinem Kopfkissen…»
    «Ich weiß, daß du es gesehen hast, Mum», unterbrach Obea. «Mir war klar, daß du in unser Zimmer zurückgehst und nachguckst.»
    Kabria lächelte gequält. «Hast du mich beobachtet?»
    «Nein, Mum. Aber ich wußte, daß ich dich neugierig gemacht habe.» Kabria sah ihre Tochter plötzlich mit neuen Augen: «Geh und kümmere dich um das Wasser. Über die Broschüren sprechen wir später.»
    Etwa eine Stunde, nachdem Kabria und die Kinder gegessen, sich gewaschen und vor dem Fernseher niedergelassen hatten, hupte Adade an der Toreinfahrt. Abena öffnete ihm das Tor und Kabria schaffte es, ihm an der Tür ein Lächeln zu schenken. «Immer schön lächeln», hieß es doch. «Immer gut aussehen für ihn. Tragen Sie Miniröcke, wenn er das an Ihnen mag. Verwöhnen Sie ihn. Tun Sie dies für ihn. Und das!» So ein Quatsch! Wer verwöhnte sie denn, wenn sie müde nach Hause kam und sich gleich wieder in die Küche stellen und gleichzeitig ihrem Sohn das Wort «verlassen» erklären mußte. Wer begrüßte sie mit einem Lächeln? Wer trug Levis und Polohemd, das sie so sehr an Männern liebte, für sie?
    Trotzdem nahm sie Adade die Aktentasche ab, so wie er es von ihr erwartete, wenn er sie ihr entgegenhielt. Sie gab diese an Obea weiter, die sie ins Schlafzimmer trug. Dann folgte Kabria ihrem Ehemann wie ein Kätzchen ins Wohnzimmer.
    «Ach, was ein anstrengender Tag», jammerte er und ließ sich aufs Sofa fallen. «Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit, Kabria. Es ist unvorstellbar.»
    «Wirklich?» erwiderte Kabria bittersüß.
    Adade bemerkte den Sarkasmus nicht. Er gab sich ganz dem Ritual des Ausziehens hin, erst die Schuhe, dann die Socken, die Krawatte und das Hemd, dann setzte er sich an den gedeckten Tisch. Später begleitete ihn Kabria ins Schlafzimmer, und während er sich den Pyjama anzog, erzählte ihm Kabria von Fofo und dem Leichnam hinter dem Kiosk.
    «Und was hat MUTE damit zu tun?» fragte er. «Ist das nicht eher ein Fall für die Polizei?»
    «Wir haben da durchaus ein Wörtchen mitzureden.»
    Sie erwähnte absichtlich nicht Obeas Schulheft mit den PPAG-Broschüren. Und befand sich dabei in völliger Übereinstimmung mit ihrem Instinkt.

KAPITEL 7
     
     
     
    Am nächsten Morgen gegen zehn Uhr parkte Kabria ihren Creamy an genau derselben Stelle wie am vorangegangenen Tag. Sie war direkt, nachdem sie die Kinder an der Schule abgeliefert hatte, hierhergefahren, hatte ein Kommunikationscenter aufgesucht, um im Büro anzurufen und mitzuteilen, daß sie bereits auf dem Markt angekommen war. Und um zu berichten, daß Fofo bis jetzt noch nicht in Sicht war. Dina war nicht im Büro, also sprach sie mit Vickie, die wissen wollte, was Kabria zu tun gedenke, wenn Fofo nicht auftauchte. «Wenn sie noch nicht da ist, wenn ich zurück ans Auto komme, warte ich bis Mittag und beschäftige mich bis dahin sinnvoll.»
    «Und was ist, wenn sie dann immer noch nicht da ist?»
    «Sie wird kommen.»
    «Was macht dich da so sicher?»
    «Mein Instinkt.»
    Von Fofo war noch immer nichts zu sehen, als Kabria wieder zurück zu Creamy kam.

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