Die Gespenster von Berlin
Kunstschlosser! 40 Schmiedefeuer! Das Tempelhofer Ufer muss bis 1910 geglüht und geraucht haben. Eduard Puls starb 1910, im siebzigsten Lebensjahr. Gleich nach seinem Tod siedelte die Witwe mit der Firma nach Tempelhof, in den Süden der Stadt. In den 1930er Jahren baute die Firma Puls die erste Ampel Europas auf dem Potsdamer Platz.
Vierzehn Projekte und Zeichnungen von Eduard Puls sind durch das Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin dokumentiert. Weitere wichtige Arbeiten der Firma waren die Eisenarbeiten für die Markthalle in der Dorotheenstraße in Mitte in den 1880er Jahren, die wegen Unrentabilität geschlossen und abgerissen wurde; und Arbeiten für das Reichspostscheckamt, das auf dem gleichen Gelände entstand – heute ist dort das Bundespresseamt. Die Puls’sche Treppe im Reichspostscheckamt ist auf zeitgenössischen Fotografien zu sehen, in der Zeitschrift »Berliner Architekturwelt«. Eine Geisterwelt eröffnet sich da: ein Palast aus deutscher Traumzeit, der sich Postamt nennt. Menschenleer, kurz vor seiner Einweihung. Unbesetzte Schalter, hohe, elegante Pulte, ein prächtiger Deckenbogen mit Reichsadler und lichte, weite Flure. Diese Geisterfotos erzählen davon, wie die Berliner Öffentlichkeit sich schön machte für die kurze Zeit der goldenen zwanziger Jahre.
Mit dem Hinweis auf Eduard Puls kam Ruhe in den Laden. »Insgeheim wussten wir, dass er dort immer noch das Heft in der Hand hält«, sagt Minna Mohn. Er erschien ihr sogar im Traum. »Ein Mann mit Hut und schwarzem Umhang, er führte mich an der Hand durchs Haus.« Als sie ein Porträt des Kunstschmiedes zu Gesicht bekam – ein schmaler Mann mit feinem Anzug, Henriquatre-Bart unddunklem Haar –, erkannte sie ihn als den Mann aus ihrem Traum. Die Putzfrau sagte beim Blick auf das Bild trocken, sie habe diesen Mann auch schon im Haus gesehen.
Ein ganzes Jahr blieb es harmonisch. Doch brennende Kräuter, wunderliche Träume und plätscherndes Brunnenwasser konnten nicht verhindern, dass wieder neue Spannungen und Ärgernisse auftraten. »Diesem Haus kann ich nicht mehr helfen«, wusste Minna Mohn plötzlich. »Es arbeitet gegen mich.« Da konnte sie loslassen. Heute versteht sie nicht, wie sie es am Tempelhofer Ufer so lange ausgehalten hat. »Man sucht immer seine Schule.«
Quellen: Berliner Architekturwelt: Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart, Heft 20, 1918, S. 257-276 (Abbildungen 368-389). Im Internet einsehbar durch die Elektronische Zeitschriftenbibliothek der Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
Die Alte
Der Geist der alten Frau, die 1902 in Schlesien geboren wurde und 1997 in Berlin starb, mahnt, dass man von ihresgleichen nicht die großen Geschichten erwarten darf. Schon im Film »The Sixth Sense« zeigte sich, dass nicht jeder Geist ein Video mit der Dokumentation seiner Ermordung beibringen kann. Auch Botschaften wie »Hi« oder »Ich habe gesehen, wie du in der Schulaufführung getanzt hast!«, wie sie der junge Schauspieler Haley Joel Osment in seiner Rolle als Medium übermittelte, genügen den Gespenstern.
Ein Mietshaus in Mitte, der Zionskirchplatz ist nah. Hier will Sandra den Geist der alten Frau wahrgenommen haben. Das Haus war einmal voll mit alten Frauen, doch die starben rechtzeitig, als es losging mit dem Bevölkerungsaustausch; Ost und Alt raus, West und Jung rein. Diese Alte aber hatte noch Lebenszeit und fand sich Anfang der neunziger Jahre plötzlich in einer chaotischen WG wieder. Man lebte wie im Zirkus, das Leben ein Gastspiel. Studenten, die ganztags das Leben der Boheme probten, sich dabei langsam zu Filmemachern, Tänzern, Schauspielern und Fotografen verwandelten.
Die Alte hatte eine Tür, mitten im Flur, die sie schließen konnte, dann war sie in ihrem Bereich, aber das Bad musste sie mit den jungen Leuten teilen. Eine Lebensweisheit gab sie den jungen Frauen in der WG besonders gerne mit auf den Weg: »Putzen, Mädels, dann kriegt ihr auch einen Ehemann!« Sie wurde wirr, roch überall Stasi. Sie stützte sich auf die Waschmaschine, wenn sie aufs Klo ging. EinesNachts stand da keine Waschmaschine mehr, die Mitbewohner hatten sie umgestellt und vergessen, es ihr zu sagen. Sie fiel böse hin und die Stasi war schuld, meinte sie, die Stasi baut hier alles um. Am nächsten Tag war sie tot. Das war 1997. Ihr Geist blieb und knipste in den ersten Jahren danach die Lampen im Flur aus. Man konnte ihn nicht durchschreiten, ohne plötzlich im Dunkeln
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