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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Geräusch gab, begleitet von einer Art Lichtexplosion, ähnlich einem Blitzlicht beim Fotografieren. So sieht es also aus, wenn wir uns verwandeln, dachte ich benommen. Gleich darauf war Jonathan verschwunden, und an seiner Stelle saß der Rabe mit schimmerndem Gefieder.
    »Abgefahren«, hauchte Lilly und rieb sich die Augen.
    »Ganz erstaunlich«, bekräftigte Spindler, aber beiden war ihr Unbehagen anzusehen. Ich konnte sie gut verstehen, hatten sie doch bis vor einigen Tagen garantiert nicht an Zwerge und Magie geglaubt, genau wie ich früher auch. Zudem waren die Zauberkräfte des Zwergenkönigs nicht zu unterschätzen.
    »Höchste Zeit, dem Ganzen ein Ende zu machen«, sagte ich energisch. Jonathan flatterte auf meinen Arm und krächzte zustimmend.
     
    Kurze Zeit später parkte Spindler seinen Uraltwagen ein paar Straßen von Udos Residenz entfernt. Vorher waren wir noch mit Lilly nach Hause gefahren, damit ich erst einmal den stinkenden Kittel und die schrecklichen Stiefel ausziehen und mich duschen konnte. Danach hatte mir Lilly eine schwarze, weitgeschnittene Sporthose und ein ebenfalls schwarzes T-Shirt von sich geliehen. Als sie mir jedoch noch eine schwarze Baskenmütze aufschwatzen wollte, war Schluss. »Wir sind hier nicht bei
Bonnie and Clyde!
«, hatte ich protestiert. Seufzend und mit einer gemurmelten Bemerkung, die verdächtig nach »Spaßbremse« klang, hatte Lilly nachgegeben.
    Jetzt saßen wir alle, einschließlich des Raben, im Auto, und mir war mulmig bei dem Gedanken, Udos Haus noch einmal zu betreten. Aber es musste sein, wenn Jonathan und ich endlich wieder ein halbwegs normales Leben führen wollten.
    »Sind Sie sicher, dass ich nicht doch mitkommen soll, Emilia?«, fragte mein alter Tutor und musterte mich sorgenvoll.
    »Oder ich!«, schaltete sich Lilly ein. »Ich könnte dir noch nützlich sein!«
    »Nichts da, du bleibst bei Herrn Spindler im Auto!«, bestimmte ich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, Lilly besäße eine Art inneren Magneten, der Ärger förmlich anzog. Und das konnte ich gerade am wenigsten gebrauchen.
    »Aber was, wenn Udo und die anderen gar nicht beim Ausflug sind? Hast du daran mal gedacht?«, fragte Lilly naseweis.
    »Das Auto ist nicht da«, gab ich zurück. Das hatten wir nämlich überprüft, indem Jonathan auf das Fensterbrett der riesigen Garage geflattert und durch die Scheibe gelinst hatte.
    »Pah, na und? Vielleicht ist der Dicke zum Golfen gefahren oder was er sonst am Sonntag so macht, und seine Frau sitzt mit den Gören zu Hause«, gab Lilly zu bedenken.
    »Sie hat recht«, schaltete sich Spindler ein. »Wir sollten das vorsichtshalber überprüfen, ehe Sie ins Haus gehen.«
    »Ja, aber ich kann keinesfalls klingeln. Wenn Udo oder Claudia da sind, werden sie mich sofort erkennen!«, wandte ich ein.
    »Genau! Und deswegen …«, sagte Lilly triumphierend, und ehe sie noch den Satz fertig gesprochen hatte, war sie schon aus dem Auto ausgestiegen und sprintete auf Udos Haus zu.
    Spindler und ich seufzten kollektiv und verdrehten die Augen. Schon nach wenigen Minuten kam Lilly zurück.
    »Hat keiner aufgemacht!«, verkündete sie fröhlich.
    »Und was hättest du denen erzählt, wenn?«
    »Guten Tag, mein Name ist Lilly, und ich sammle Spenden für die örtlichen Pfadfinder. Hätten Sie vielleicht ein paar Euro übrig? Es ist für einen guten Zweck«, ratterte sie herunter und schielte siegessicher zu mir herüber.
    »Also gut, du hast gewonnen. Danke, Lilly, du bist einfach unersetzlich«, gab ich mich geschlagen, und sie grinste. Doch als ich nach dem Türhebel griff, schrie sie: »Stopp!«
    »Was ist denn jetzt noch?«
    »Diese neureichen Villenfuzzis haben alle Videokameras zur Überwachung rund ums Haus installiert, Mensch! Das sieht man doch in jedem Fernsehkrimi!«
    »Daran habe ich nicht gedacht!«, gab ich zu.
    »Aber ich! Und deswegen …« Mit diesen Worten griff sie in ihre Tasche und zog nach kurzem Wühlen eine schwarze Strickmütze heraus, in der zwei Löcher klafften.
    »Augenschlitze«, erklärte sie stolz. »Das alte Ding von meinem Vater wollte Mama sowieso schon seit Ewigkeiten wegschmeißen!«
    »Ich soll mit einer
Strumpfmaske
da reinmarschieren?«, vergewisserte ich mich.
    »Nein, die setzt du natürlich erst auf, kurz bevor du drin bist! Damit die Kamera nicht dein Gesicht filmt und Udo dich nicht wiedererkennt!«
    »Ach du meine Güte, ist das nicht etwas übertrieben?«, kritisierte Spindler, doch Lilly wedelte stur mit der

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