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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verbarg.
    »Versuchst du etwa, mich auf die Palme zu bringen?«, fragte er misstrauisch.
    »Ja«, gab Katherine zu. »Um dich von deiner Angst abzulenken.«
    Das machte ihn natürlich noch wütender.
    »Ich hab keine Angst«, beteuerte er. Zum Beweis zog er sich die letzten Sprossen hinauf, ließ sich auf den Bauch fallen und landete auf einem runden, mit Segeltuch bedeckten Holzboden, der von halbhohen abgerundeten Holzwänden umgeben war.
    Er hatte das Krähennest erreicht.
    Kurz darauf folgte ihm Katherine mit größter Vorsicht.
    »Jonas«, sagte sie sanft und ein wenig atemlos. »Ich habe auch Angst. Es ist verrückt, ohne Klettergurt hier hochzuklettern. Mom und Dad würden uns umbringen, wenn sie wüssten, was wir gerade getan haben.«
    »Das würde uns jedenfalls davor bewahren, uns beim Runterklettern den Hals zu brechen«, murmelte Jonas.
    Katherine schien noch eine Spur blasser zu werden, was beeindruckend war, da sie ohnehin bereits durchsichtig war.
    »O Gott! Ich habe gar nicht daran gedacht, dass es beim Runterklettern noch viel schlimmer wird!«, stöhnte sie. »Vielleicht   … vielleicht findet HK den echten John Hudson und versetzt ihn hierher, bevor sein Dienst im Ausguck vorbei ist. Dann muss er runterklettern und nicht wir.«
    Sie beugte sich über Jonas’ Umhang und zog den Definator heraus.
    »HK? HK, bitte! Antworte uns!«, rief sie hinein.
    Stille.
    »HK?«, flüsterte Katherine.
    Nichts.
    »Er wird nicht antworten«, sagte Jonas. »Merkst du denn nicht, dass alles aus der Spur ist? Dass wir uns immer weiter vom vorgesehenen Lauf der Zeit entfernen? Man merkt es doch schon daran, dass wir keine Marker mehr sehen können, nicht einmal den von John Hudson, obwohl wir
wissen
, dass er verschwunden ist!«
    »Aber das muss HK doch nicht davon abhalten, mit uns zu reden«, sagte Katherine dickköpfig. »HK!«, schrie sie in den Definator.
    Ihre Stimme schien vom leeren Himmel widerzuhallen.
    »Pst!«, sagte Jonas. »Sonst kommt Henry Hudson hoch, um mir eine Tracht Prügel zu verabreichen, weil er glaubt, dass ich seinen Feinden verschlüsselte Botschaften schicke.«
    Hastig spähte er über den Rand des Krähennests   – wovon ihm gleich wieder schwindelig wurde. Aber wenigstens starrte niemand zu ihm herauf.
    »Glaubst du, Henry Hudson war ursprünglich auch so verrückt?«, fragte Katherine.
    »Ich weiß überhaupt nichts über Henry Hudson in der ursprünglichen Zeit«, erwiderte Jonas schmollend.
    »Klar tust du das«, widersprach Katherine. »Denk an den Hudson River. Und die Hudson Bay. Die muss er entdeckt haben.«
    »Gratuliere«, sagte Jonas sarkastisch. »Du hast mich gerade beim Geografie-Quiz geschlagen.«
    Katherine fuhr fort, als sei nichts gewesen.
    »Und HK hat uns erzählt, dass Hudson am Ende mit seinem Sohn und einem Haufen sterbender Seeleute in einer Schaluppe landen würde«, sagte sie.
    Jonas schlug mit der Faust gegen die hölzerne Wand des Krähennests.
    »
Am Ende
«, sagte er. »Für die Hudsons sollte die Schaluppe das Ende ihrer Geschichte sein. Und zwar für Henry
und
John Hudson. Das beweist doch, dass das Schiff definitiv
nicht
zurückkommen sollte.«
    »Und warum ist es dann zurückgekommen? Warum benehmen sich alle so merkwürdig? Warum antwortete HK uns nicht? Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Katherine.
    Es war typisch für sie, alles aufzuzählen, was sie nicht wussten. Jonas wäre es lieber gewesen, all diese Fragen unausgesprochen zu lassen.
    Moment! Eine davon konnte er sogar beantworten.
    »Ich nehme an, ich muss einfach weiter John Hudson spielen«, murmelte er. Er sah hinaus in den grauen Nebel, den grauen Himmel und die graue See. Es war schwer zu sagen, wo das eine aufhörte und das anderebegann. »Was glaubst du, was ich als Ausguck zu tun habe? Nach was muss ich Ausschau halten?«
    »Nach Eisbergen, wie in
Titanic
?«, schlug Katherine vor.
    Wunderbar. Da fühlte er sich gleich besser.
    »Wenn du schon unsichtbar bist, könntest du doch runterklettern und Hudson, Prickett und die anderen belauschen, um rauszufinden, was wirklich vor sich geht«, schlug Jonas vor, weil er seine Schwester in diesem Moment einfach gerne losgeworden wäre.
    »Und was ist, wenn ich aufhöre, unsichtbar zu sein, Jonas, wenn sie mich erwischen?«, fragte Katherine, die plötzlich Tränen in den Augen hatte.
    Ist sie so durcheinander?, wunderte sich Jonas. Hat sie solche Angst?
    Katherine war nur ein Jahr jünger als er. Solange er zurückdenken konnte, war sie wie

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