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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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eine Naturgewalt durch sein Leben gefegt: Ständig stürmte sie ins Haus oder wieder hinaus, war sie hinter ihm und seinen Freunden hergezockelt und hatte gestänkert: »Jonas hat mich gekränkt! Sag ihm, dass er mit mir spielen soll!« Katherine musste nur ins Zimmer treten und schon wusste Jonas, ob sie glücklich oder traurig, wütend, eingeschüchtert oder ekstatisch war. Und wenn er oder seine Eltern ihre Signale nicht sofort auffingen, wurden sie von ihr in stundenlangen Vorträgen ins Bild gesetzt.
    War es möglich, dass auch Katherine sich veränderthatte? Dass sie auf ihren Reisen durch die Zeit   – bei denen sie sich verirrt, ihr Leben aufs Spiel gesetzt und ihre Freunde gerettet hatten, ohne zu wissen, wie die Sache ausgehen würde   – tatsächlich gelernt hatte, ihre Gefühle zu verbergen? Jedenfalls einige?
    Eine Träne rollte ihr über die Wange, die sie wortlos wegwischte.
    Sie zitterte, verlor aber auch darüber kein Wort.
    »Äh, hier, Katherine, wahrscheinlich ist dir ziemlich kalt«, sagte Jonas. »Du kannst meinen Umhang haben.«
    Er machte Anstalten, ihn auszuziehen, aber die Tränen quollen ihr nur noch reichlicher aus den Augen. Plötzlich erschien es ihm wichtiger, sie zum Lachen zu bringen, als sie aufzuwärmen.
    »Oder du legst dir die Segeltuchdecke um«, sagte er und hob eine Ecke des Tuchs an, auf dem sie saßen. »Ich wette, sie
riecht
nur so, als hätte man darin tote Fische übers Meer transportiert.« Er legte sich die Decke zu Demonstrationszwecken selbst um. »Siehst du? Ist fast wie eine Kuschel-«
    Er verstummte, denn unter dem Segeltuch lag etwas. Etwas Flaches, Glattes   … Er zog ein Päckchen hervor, das in getrocknete Tierhäute eingewickelt war. Als er die Häute abpellte, entdeckte er einige Aufzeichnungen
.
    »Vielleicht hat jemand verschlüsselte Botschaften hier oben gelassen!«, vermutete Katherine aufgeregt.
    »Ich glaube nicht, dass sie verschlüsselt sind«, flüsterte Jonas und starrte auf die Seiten. »Ich glaube, die sind ziemlich geradeheraus.«
    Er hatte den ersten Satz bereits gelesen:
     
    Etwas sehr Merkwürdiges und Gefährliches ist auf der Discoverie im Gange   …

Dreizehn
    »Vielleicht hat HK eine Möglichkeit gefunden, uns handgeschriebene Botschaften zu hinterlassen, weil er mit dem Definator nicht durchkommt«, sagte Katherine hoffnungsvoll. Sie griff nach den Papieren, um sie sich ebenfalls anzusehen. Doch plötzlich wurde ihr Gesicht ernst. »Oder   … Zwei steckt wieder dahinter.«
    Zwei hatte ihnen schon früher handgeschriebene Botschaften hinterlassen, damals im Jahr 1600.   Seine Nachrichten waren immer kurz gewesen   – und manipulativ.
    Diese Botschaft hingegen war lang und in altmodischer Handschrift verfasst.
    »Ich glaube nicht, dass Zwei sich die Mühe machen würde, seine Botschaft so aussehen zu lassen, als käme sie aus dem Jahr 1611«, sagte Jonas. »Bisher hat er immer, wenn er mit uns Kontakt aufgenommen hat, dafür gesorgt, dass wir wussten, wer dahintersteckt. Ich glaube   … ich glaube, das hier hat jemand geschrieben, der sich noch an Bord befindet.«
    Er überflog die restlichen Zeilen, so schnell er konnte:
     
    Die Umstände sind schwierig und bedrückend, seyd wir London am 1.   April Anno Domini 1610 verlassen haben. Die Männer sind zänkisch, sie streiten sich, um Mäntel, um Brot, und jede noch so kleine Winzigkeit   … Der Master ist wie ein Halm im Wind, er bevorzugt mal den einen, dann den anderen, er entscheidet nichts und verdrießt alle. Ich glaube, er hat Geheimnisse, die er uns nicht preisgeben will. Und doch könnten diese Geheimnisse unser aller Tod seyn.
    Ich habe viele Gründe, um mein Leben zu fürchten, denn ich liege schwerkrank darnieder und hege wenig Hoffnung, die Gefilde meiner geliebten Heimat jemals wiederzusehen. Doch ich fürchte den Tod nicht. Ich habe mich mit meinem Schicksal abgefunden. Womit ich mich nicht abfinden mag, ist die Befürchtung, dass allein jene von dieser Fahrt berichten werden, die ihre Ziele verraten. Auf der Discoverie herrschen Lug und Trug. Feiglinge tragen sich mit dem Gedanken an Meuterei. Und ich fürchte, die bösen Absichten werden schon bald Wirklichkeit werden   …
     
    »Ach, das dreht sich bloß um die Meuterei, die schon stattgefunden hat«, sagte Jonas enttäuscht und ließ die Blätter sinken. »Das hilft uns überhaupt nicht weiter.«
    »Vielleicht erfahren wir, was die Meuterei ausgelöst hat«, sagte Katherine. »Den Hintergrund. Damit

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