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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Bewegung die Zunge heraus.
    Prickett kletterte weiter und machte Katherine Platz. Diese stellte die Füße wieder auf die Webleinen und wartete darauf, dass er verschwand.
    Sie hatten nach wie vor nichts von HK gehört, immer noch keine Marker gesehen und die »Passage«, die sie erspäht hatten, schien nur einmal mehr zu beweisen, dass die Zeit unwiderruflich aus dem Lot war. Im Vergleich dazu war es keine große Sache, dass es ihnen gelungen war, die Begegnung mit Prickett zu überleben.
    Trotzdem hätte Jonas am liebsten gejubelt.
    Prickett erreichte das Deck und stolzierte davon, um mit Henry Hudson zu reden. Kurz darauf legte Hudson den Kopf in den Nacken und brüllte zum Krähennest hinauf:
    »John Hudson! Melde dich auf der Stelle an Deck!«
    Jonas verging das Jubeln.

Fünfzehn
    Jonas sackten fast die Beine weg, als er unten ankam. Das lag teilweise an der Erschöpfung, denn das Klettern in den Wanten war eine Schinderei. Doch Erschöpfung allein erklärte nicht, warum sämtliche Muskeln in seinem Körper den Dienst zu quittieren drohten.
    Haben Kapitäne ihre Leute früher nicht sogar ausgepeitscht?, fragte er sich mit zitternden Knien. Und sie halb tot geschlagen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten?
    Oder haben das nur
Piraten
kapitäne getan?
    Er hoffte, dass es nur Piraten waren.
    Mit schmalen, finsteren Augen starrte Henry Hudson Jonas entgegen, sein Mund war zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
    Er sah auf jeden Fall aus, als wollte er jemanden schlagen.
    »Ich kann es erklären«, sagte Jonas, weil das bei seinen Eltern zu Hause normalerweise immer funktionierte.
    Zumindest dann, wenn er nicht aus Versehen etwas sagte, das ihn noch mehr in Schwierigkeiten brachte.
    Henry Hudsons Blick dagegen wurde noch zorniger und sein Mund so schmal wie ein Blatt Papier.
    »Schweig«, sagte er mit kalter, harter Stimme. »Ich habe alles vernommen, was ich wissen muss.«
    Er wandte sich leicht zu Prickett um, der direkt neben ihm stand. Dieser nickte brüsk.
    Das ist nicht fair!, wollte Jonas protestieren. Was ist aus dem Recht des Angeklagten geworden, seine Version zu erzählen? Und dem Recht, bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten?
    Dann wurde ihm klar, dass diesen Rechten gar nichts widerfahren war. Sie existierten im Jahr 1611 nur einfach noch nicht.
    Außerdem bin ich kein Krimineller vor Gericht, dachte er.
    Hudsons Blick allerdings besagte das Gegenteil.
    Jonas versuchte ihn anzuschauen wie ein liebender Sohn, voller Bewunderung. Es gab einen Trick dafür, den er manchmal bei seinen eigenen Eltern anwandte. Man musste sie nur ein oder zwei Mal mit leerem, leicht belämmertem Blick anblinzeln und schon vergaßen sie, was immer er gerade ausgefressen hatte, und dachten daran, wie süß er früher als Krabbelkind ausgesehen hatte und wie sehr sie ihn vermissen würden, wenn er wegzog, um aufs College zu gehen.
    Offensichtlich funktionierte dieser Trick mit der John-Hudson-Maske nicht.
    Oder aber Henry Hudson hatte nie etwas für seinen Sohn übriggehabt, nicht einmal, als er noch ein süßes kleines Krabbelkind war. Vielleicht würde er ihn gar nicht vermissen, wenn er wegzog, um   … nun, was immer man tat, wenn man als Schiffsjunge aufgewachsen war.
    »Ich   …«, begann Jonas.
    Plötzlich gewahrte er hinter Hudson und Prickett eine Bewegung: Es war Katherine, die vehement den Kopf schüttelte.
    Sogar Jonas konnte sich denken, was sie damit mein te:
HÖR SOFORT AUF ZU REDEN, SONST

    Hudson schlug mit der Hand gegen den Mast.
    »Schweig, habe ich gesagt!«, brüllte er. »Das bringt dir die härteste aller Strafen ein!«
    Er wird mich schlagen, dachte Jonas und schwankte leicht.
    »Wenn die anderen am Mittag ihre Ration erhalten«, sagte Hudson und verkündete die Strafe mit einer Stimme, die eisiger war als der Wind, »wirst du leer ausgehen.«
    Hä?, dachte Jonas und versuchte sich auf »Ration am Mittag« einen Reim zu machen. Das heißt dann wohl   … nichts zu essen? Ich muss nicht so tun, als würde ich grünes, gammeliges Fleisch essen? Alles klar! Das hört sich eher nach einer Belohnung als nacheiner Strafe an! Ich lasse mir dann später von Katherine einfach etwas Besseres zustecken   …
    Dann fiel ihm ein, dass es wenigstens so
aussehen
musste, als würde ihn diese Strafe niederschmettern.
    »Es tut mir leid!«, rief er. »Bitte   –«
    Hudson verpasste ihm eine Ohrfeige.
    »Seinem Vater begegnet man mit Respekt und nicht mit Spott!«, brüllte er. »Ich bin hier der

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