Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4
Jahr 1600 verändert hat … Und was HK zugestoßen ist, sodass er sich nicht einmal mehr über den Definator mit uns verständigen kann … Ach, ich habe keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat!
Wieder blieb der Mopp am rauen Holz hängen und Jonas bückte sich. Das merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden, überkam ihn erneut. Er wirbelte herum, doch es war nur Katherine, die dastand und beängstigend durchsichtig wirkte.
Jonas gab sich Mühe, sie möglichst nicht anzusehen, denn es gefiel ihm nicht, sie so gläsern zu sehen.
»Es ist wirklich unheimlich, dass du aussiehst und klingst wie jemand anderes«, murmelte Katherine.
Super! Sie waren sich gegenseitig unheimlich.
»Ich gehe und horche an der Tür des Kapitäns. Mal sehen, ob ich mitkriege, was Prickett, Hudson und King so reden«, sagte Katherine. »Und danach sehe ich michum, ob irgendwo noch andere Botschaften versteckt sind. Vielleicht hat der Briefeschreiber aus dem Krähennest ja eine Botschaft hinterlassen, die erklärt, warum Prickett John Hudson hasst.«
»Vielleicht«, murmelte Jonas. Sein Magen knurrte und er fügte hinzu: »Wenn du schon dabei bist, kannst du auch gleich Ausschau halten, ob irgendwo auf dem Schiff eine schöne Peperoni-Pizza herumliegt, okay?«
Katherine knuffte ihn in den Arm. Wenigstens das fühlte sich normal an.
»Wahrscheinlich kann ich von Glück sagen, wenn ich ein paar Brotkrümel finde, die nicht schimmelig sind«, murmelte sie im Weggehen. »
Und
die sie nicht gezählt haben und vermissen werden.«
Wie konnten der
Discovery
nur derartig die Vorräte ausgehen?, fragte sich Jonas.
Es war ein dummer Gedanke, nur weil er daran gewöhnt war, dass ihm zu Hause jederzeit etwas zu essen zur Verfügung stand. Er sah zum grauen Horizont. Natürlich musste Nahrung hier Mangelware sein. Es war viel zu kalt, als dass an Land irgendetwas in nennenswertem Umfang wachsen könnte. Und vermutlich auch zu kalt, um viel aus dem Meer zu holen. Wenn sie England im April 1610 verlassen hatten, war das vierzehn Monate her. Wie hätten sie für über vierzehn Monate Vorräte mitführen sollen?
Und was sollte aus ihm und Katherine werden, wenn alle anderen verhungerten?
Jonas widmete sich mit aller Kraft dem Schrubben des Decks, weil es ihm erlaubte, gegen seine Sorgen anzukämpfen.
»Psst«, rief jemand hinter ihm.
Jonas drehte sich um. Es war Staffe, der ein Tablett zur Kajüte des Kapitäns trug. Im Vorbeigehen drückte er Jonas etwas in die Hand.
»Käse«, sagte er. »Damit du nicht leer ausgehst.«
Der Klumpen in Jonas’ Hand fühlte sich steinhart an. Wenn er da hineinbiss, würde er sich vermutlich einen Zahn abbrechen. Dennoch war er sicher, dass Staffe damit viel aufs Spiel setzte.
»Nein, danke«, sagte Jonas und schob Staffe den Käse wieder zu. »Essen Sie ihn. Ich … ich ertrage meine Strafe wie ein Mann.«
Das klang doch wie etwas, das man 1611 sagen würde, oder?
Staffe starrte ihn an. Der Mann hatte erstaunlich blaue Augen, die aus seinem zerklüfteten und narbenübersäten Gesicht herausstachen.
»Dieses Schiff wird vom falschen Hudson kommandiert«, flüsterte er. Dann sah er sich nervös um, als fürchte er, dass ihn jemand belauscht haben könnte. Doch nicht einmal Katherine war in Hörweite, sondern am anderen Ende des Decks, wo sie das Ohr an die Tür von Hudsons Kajüte gelegt hatte.
Der falsche Hudson … grübelte Jonas. Was ging zwischen John Hudson und seinem Vater vor? Waren vieleLeute der Ansicht,
John
hätte eine Meuterei anführen sollen? War das der Grund, warum sie fehlgeschlagen war? Nein, nicht wenn John Hudson eigentlich in der Schaluppe hätte landen sollen.
Allmählich bekam er Kopfschmerzen von der vielen Grübelei. Staffe wandte sich ab, um zu gehen.
»Nein, warten Sie«, sagte Jonas verzweifelt. »Ich muss Sie etwas fragen …«
Aber was konnte er fragen, das der echte John Hudson nicht schon gewusst hätte? Warum hasst Prickett mich? Nein. Warum verstehen wir beide uns so gut? Nein. Welche Aufgaben habe ich als Schiffsjunge noch, außer ins Krähennest hochzusteigen und das Deck zu schrubben? Nein.
Dann wusste er, was er fragen konnte.
Er wühlte in seiner Tasche und zog die Zeichnung von Andrea heraus. Er widerstand der Versuchung, sie minutenlang zu betrachten, ehe er sie Staffe zeigte.
»Sehen Sie nur«, sagte er. »Das habe ich gefunden. Sehen Sie – da steht, das Mädchen hätte sich einem Indianerstamm angeschlossen. Was glauben Sie, um welchen
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