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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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rechtzeitig zur Hochzeit angeliefert werden, reißt der Kaiser nicht nur mir den Kopf ab."
    Anna spähte zu der Zeichnung an der Wand hinüber. Eindeutig streng die blauen Augen! Arme Isabella.
    Der Gewandschneider holte tief Luft. " Du kommst auf gar keinen Fall mit." Das klang endgültig. Anna schämte sich ihrer Erleichterung. Sobald die Begutachtung vorbei war, wollte sie Jan trösten. Es würde bestimmt eine lustige Zeit ohne Dietrich und den Meister.
    Siegessicher hob Dietrich den Kopf und reckte die Schultern.
    "So..." Der Geselle breitete das Überkleid und das Unterkleid auf dem Tisch aus. „Das ist pünktlich fertig geworden und sieht gut aus."
    Prahlhans. Wie froh Anna auch sein mochte, dass Jan bei ihr und Wiffi blieb - Dietrich gönnte sie den Sieg nicht.
    Die Hände in die Hüften gestemmt, den Blick forsch auf die Zeichnung en an der Wand gerichtet, als nähme er schon Maß am Kaiser, lehnte der Geselle am Schneidertisch.
    Meister Spie rl zog die weißen Brauen so hoch, dass sie abstanden wie Fäden an einem zerrissenen Bettuch.
    "Mach Platz !" Meister Spierl schob Dietrich beiseite und beugte sich über das Gewand, er legte sogar die Rute aus der Hand. "Das sehe ich mir genauer an."
    Das Kleid war schnell auf links gewendet. Grummelnd und schnaubend arbeitete sich der Meister an allen Säumen und Nähten entlang.
    Anna trat von einem Bein auf das andere. Außer einem gelegentlichen "Ha!" oder "So, so" gab der Gewandschneider keinen Hinweis darauf, ob er mit der Arbeit zufrieden war. Je genauer er die Nähte untersuchte, desto unruhiger wurde Dietrich. Zuerst ließ er nur die Arme hängen und heftete den Blick starr auf das Kleid. Als Meister Spierl eine der Nähte auseinanderzog und gegen das Licht hielt, traten ihm Schweißtropfen auf die Stirn. Dann beugte sich der Meister so nahe zum Stoff hinunter, als wolle er einen üblen Geruch aufspüren.
    Er musste Dietrich trotzdem gewinnen lassen - oder erteilte er beiden Gesellen eine neue Aufgabe? Annas Blicke wanderten zu dem geheimnisvollen Packen auf dem Tisch. Dietrich folgte Annas Blick und stöhnte leise.
    Endlich hob der Meister den Kopf, nahm die Rute zur Hand und benutzte sie als Zeigestock.
    "Da … und da … und da auch! Schlampig genäht, eine Schande. Nicht wert, im Namen meiner Werkstatt geliefert zu werden."
    Er peitschte mit der Rute so heftig durch die Luft, dass es sirrte, und traf die Stelle, die er vorhin so kritisch ins Licht gehalten hatte.
    "Da! Sto ß an Stoß genäht, das hält nicht einmal der ersten Anprobe stand. Das wird doch geschnürt, du Narr! Da ist Zug drauf."
    Dietrich war erstaunlich kleinlaut, er nickte nur. Sein Kleid war trotzdem besser als das von Jan . Solange er klein beigab, bliebe dem Meister nichts anderes übrig, als ihn mitzunehmen.
    "Die Stiche sind zu groß. Und das Unterkleid ist zu kurz . Sicher, es soll kurz sein, aber doch nicht so kurz."
    Spierl redete sich immer mehr in Zorn. Die Haut wurde rosig, das kannte Anna schon. Gleich würden seine Finger wieder zittern, und er bräche in Schweiß aus.
    „Ihr seid beide unfähig. Jan hat so viel Stoff verbraucht, dass ihm allein dafür der Kopf abgeschlagen gehört. Die Stoffe kommen aus Frankreich und Italien, sie sind ebenso knapp bemessen wie teuer. Was wollt ihr sagen, he? Ordert eben einfach noch Ware nach! Wisst ihr, wie lange das Zeug braucht, bis es hier ist? Schlampig gearbeitet habt ihr, ich kann gar nicht glauben, dass ich euch ausgebildet habe. Stümper!" Das letzte Wort hatte er so laut geschrien, dass alle drei zusammenzuckten. Dietrich versuchte zu retten, was zu retten war.
    "N un, es ist nicht gerade eine Glanzleistung, aber mein Kleid ist doch insgesamt ganz gut gelungen. Die Zeit war viel zu knapp, das hätte doch keiner geschafft." Er fetzte einen Faden von seiner Tunika. "Und einen von uns beiden müsst Ihr mitnehmen, allein schafft Ihr das nicht“, setzte er listig hinzu.
    Wortlos trat der Gewandschneider zum Tischende und griff nach dem eingeschlagenen Packen.
    Zum ersten Mal meldete sich Jan zu Wort. "Meister, ich kann nicht mehr. Meinetwegen soll Dietrich mitkommen. Noch drei solcher Tage halte ich nicht aus, ich ..."
    "Ruhe !" Der Meister schlug das Paket auf. "Keiner geschafft … keiner geschafft …", äffte er Dietrich nach. "Es war sehr wohl zu schaffen. Ich habe ein weiteres Gewand in Auftrag gegeben, unter gleichen Voraussetzungen." Er schüttelte traurig den Kopf. "Bei jemandem, der nicht bei mir gelernt hat. Und was soll

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