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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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freundliche Schwester jener Nachtmahre über Bärs Verbleib und Zustand, die sie ab und an heimsuchten?
    Sie, Anna, würde den Kaiser sehen. Damit nicht genug - sie würde für den Kaiser nähen. An dieser Stelle stockte der Gedankenfluss, denn ihr wurde bewusst, was die Entscheidung des Meisters zusätzlich bedeutete: Wenn sie sich geschickt anstellte, nähme er sie vielleicht als Lehrmädchen an. Sie gluckste. Schließlich wäre sie dann keine gewöhnliche Näherin mehr, sondern hätte bei Hofe gearbeitet. Obwohl sie lag, wurde ihr schwindelig. Mit bebenden Lippen beschwor sie den Herrgott, auf Meister Spierl einzuwirken, dass er ihr gewogen blieb und es sich nicht noch anders überlegte.
     
    Jan hatte seinen freien Tag. Anna brachte kaum einen Bissen hinunter, so gespannt war sie, wie es nun weiterging. Doch Meister Spierl löffelte in aller Seelenruhe seinen Brei, bevor er sich Wiffi und Anna zuwandte.
    "Morgen nach der Messe packen wir. Ein Knecht ist bestellt, ebenso ein Fuhrwerk. Wir müssen nur alles zusammensuchen und einladen, besonders die verschiedenen Borten, die Kreiden und Scheren und die Bänder und Garne. Ich weiß nicht, was wir in Worms vorfinden, außer dass die Stoffe dort schon aufbewahrt werden. Gleich morgen früh brechen wir auf."
    Wiffi leckte den Rand ihrer Schale ab und fuhr sich mit der Hand über den Mund.
    "Warum hat er die Stoffe nicht hierher nach Trier liefern lassen?", fragte sie.
    "Zu kostbar" , beschied sie ihr Herr. "Darum eilt es auch so sehr. Sieben Gewänder sollen es werden. Seins, ihrs und die der Jungfern, dazu eins für den kleinen Konrad. Wenn wir nicht bis Mittsommernacht ankommen, ist es nicht zu schaffen."
    Anna stutzte. Mittsommernacht? D ie Woche, in der die Mittsommernacht stattfand, begann doch bereits am nächsten Tag! Wenn sie am dies dominica packten, wie sollten sie dann zur feria quinta in Worms sein?
    "Wie lange reisen wir?" , fragte sie.
    "Wenn wir gut vorankommen, vier Tage."
    Anna zählte im Geist, doch die Tage entglitten ihr wie zappelnde Fische, sie nahm die Finger zu Hilfe. Als sie das richtige Ergebnis hatte, musste sie schlucken.
    Der Meister lächelte schuldbewusst. "Ich habe ein wenig zu lange für die Auswahl gebraucht. Wir hätten heute schon anreisen sollen."
    Er erhob sich und legte Anna eine Hand auf die Schulter. "So schnell, wie du nähst, holen wir die verpasste Zeit in Kürze wieder auf ..."
    Anna hob die Schultern. Mochte sein, dass er recht hatte, aber was, wenn etwas dazwischenkam?
     
    Es war zum Verzweifeln. Gleichgültig, wie sehr er sich mühte, der Meister kam nicht vom Lager hoch. Er griff nach Annas Hand.
    "Wir sind in Eile, hilf mir!"
    Anna stützte ihn beim Aufsetzen und schob seine Beine von der Bettstatt, doch sobald die geschwollenen Füße wie rot leuchtende Früchte über den Rand hingen, schrie Meister Spierl so laut auf, dass sie ihn notgedrungen zurücksinken ließ.
    "Nein, nein, ich muss hoch, wir müssen packen ...", jammerte er.
    Anna warf Wiffi einen ratlosen Blick zu. Die runzelte die Stirn.
    "Die Zeit reicht nicht für eine Nesselkur. Es hilft nichts, wir müssen ihm eine von den Pillen geben."
    Der Meister wurde blass, zögerte - und nickte schließlich.
    "Pillen?" , fragte Anna entsetzt.
    "Herbstzeitlose. Ma nchmal kuriert mich das Gift fast gänzlich, manchmal hilft es ein wenig. Oder aber ich speie mir die Seele aus dem Leib." Er stieß mit einer Zehe gegen die Wolldecke und keuchte auf. "Einmal hat´s mich fast vor den Herrn getragen, aber diese Schmerzen ..."
    Spierl holte tief Luft und funkelte Wiffi an. „Was stehst du noch herum? Hol eine dieser Pillen, mach schon! Und du" - er wandte sich an Anna - "geh und pack, wie wir’s besprochen haben."
     
    Anna wusste nicht mehr genau, womit sie die Körbe gefüllt hatte. Nicht auszudenken, wenn sie etwas Wichtiges vergaß! Nach Stunden war sie endlich sicher, alles eingepackt zu haben. Ein Blick zum Fenster zeigte ihr, dass auch dieser Tag sich seinem Ende näherte. Vergeblich schüttelte sie sich, um den dumpfen Druck im Kopf zu vertreiben. Wenn Meister Spierl nicht gesund wurde, konnten sie nicht reisen. Und dann ...
    Plötzlich erhob sich lautes Geschrei auf dem Flur. Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit.
    "Warum bleibst du nicht hier, du alter Narr? Musst du dem Sensenmann auch noch aufs Blatt springen? Reicht es nicht, dass er dich ohnehin bald holt?" Wiffi kreischte so laut, dass Anna die Ohren schmerzten. Der Meister, noch im Hemd und barfuß,

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