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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Schatten.
    “Ich darf hier sein, es hat alles seine Richtigkeit”, versuchte Anna den Hundepfleger zu beschwichtigen, doch er kam drohend näher.
    “ Setz den Hund auf den Boden, und zwar sofort! Was seine Richtigkeit hat, entscheide ich.” Die Stimme war gefährlich leise geworden. “Bloß weil du Fenno oder einem der anderen zu Willen gewesen bist, heißt das nicht, dass du wie eine Ratte durch meine Zucht huschen kannst.”
    Er packte den Hund im Genick. Anna wollte ihn festhalten, doch als Falke laut quiekte, ließ sie los.
    “Du tust ihm weh, Grobian !”, fauchte Anna. “Und ich bin nicht Fenno oder sonst wem” – ein dumpfer Schmerz peinigte ihre Schläfen – “zu Willen gewesen.” Sie zog das Tuch aus dem Ärmel. “Der Kaiser selbst hat mir die Erlaubnis erteilt, und dieser Welpe ist mein Eigentum.”
    Der Mann trat näher , und die Sonnenstrahlen hatten freien Zugang in das Innere der Hütte. Sie erhellten ein grobes Gesicht mit vernarbten Wangen und aufgerissenen Augen.
    “Wie heiß t du?”, fragte Anna.
    “Tobi” , grummelte der Riese.
    Sie hielt ihm das Pfand hin. “Tobi, sieh dir die Buchstaben an. Der Kaiser sagt, jeder kennt sein Zeichen.”
    Wortlos befingerte der Hüne das feine Tuch mit seinen Pranken. Anna bezweifelte, dass er lesen konnte, aber das Zeichen musste er erkennen.
    “Tut mir leid. Er hat gesagt, ich soll aufpassen und Füchse wie Menschen verjagen, hat er gesagt. Konnte nicht wissen, dass das für Euch nicht gilt. Meldet Ihr mich dem Kaiser?”
    Anna atmete auf und schüttelte verneinend den Kopf. “Du hast meinen Hund beschützt, dafür bin ich dir dankbar.” Sie streckte beide Hände aus. “Gib ihn mir!”
    Tobi zögerte, trat einen Schritt näher und setzte ihr das Hündchen behutsam auf den Arm. Die braunen Haare auf seinem Unterarm waren so lang wie der Schwanz des Welpen.
    “Er ist entwöhnt, aber er kann n och nicht alles fressen, müsst Ihr wissen. Er wird krank, wenn man das Falsche gibt.”
    “Soll ich ihm Brot geben, in Milch getunkt? Fischstückchen und Käse in kleinen Happen und den Speck ein wenig zerkauen, damit er ihn besser schlucken kann?”
    Ein Lächeln furchte Tobis breites Gesicht. “Ihr kennt Euch aus mit Welpen? Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?” Er nickte und verschränkte die Arme vor der Brust.
    “Wie heiß t Ihr?”, fragte er.
    Sie lächelte ihn an. “Anna. Anna …Spierl.”
    “ Nun denn, Anna Spierl mit dem kaiserlichen Pfand, nehmt ihn mit in drei Teufels Namen. Ich muss hier weitermachen, bevor es dunkel wird. Bin keiner dieser Narren, die im Stall eine Laterne anzünden, wenn’s nicht nötig ist.”
     
    In ihrer Kammer war es dunkel bis auf ein einziges Öllicht.
    “Was hättest du an meiner Stelle getan?” Der Hund schaute sie aus blanken Knopfaugen an, den Kopf schief gelegt. Auf Annas Schoß zusammengerollt, genoss er sichtlich das warme Lager und die menschliche Nähe.
    Auch wenn Falke keine Antworten gab, tat es gut, einem lebenden Wesen alles zu erzählen. “Findest du es nicht unangemessen, mich einzuladen - zu so einem … Bad ? Was hat er sich dabei gedacht? Soll ich damit eine Schuld abtragen? Warum hat er das nicht schon früher verlangt, bevor ich die Urkunde bekam? Er muss doch damit rechnen, dass ich Nein sage, wenn nichts vereinbart ist.” Sie setzte sich ein wenig zurück, damit der Welpe nicht hinunterrutschte. “Ob er wie alle Männer ist? Vielleicht hatte er auch andere Gründe.” Sie seufzte. “Oder auch nicht. Er hat wohl kaum nach mir gerufen, um mich zu trösten.”
    Selbst vor dem Welpen schämte sich Anna, ihre geheimsten Gedanken im Hellen auszusprechen, deshalb löschte sie die Öllampe. Konnte Gott im Dunkeln erkennen, was sie umtrieb? Sie hatte gelobt, sich von Männern fernzuhalten. Und ein gebrochenes Gelöbnis brächte sie geradewegs ins Fegefeuer.
    “Ich verrate dir ein Geheimnis “, flüsterte sie fast unhörbar in Falkes warmes Ohr. „Ich hasse Männer, aber bei ihm läge ich gern.”
    Der Hund zuckte im Schlaf. Obwohl ihr Geständnis keinem Menschen zu Ohren gekommen war, tat Anna in dieser Nacht kein Auge zu.
     
    Es war noch früh, doch das Feuer auf der Herdstatt brannte, und es klapperte in der Vorratskammer.
    “Alimah ! Alimah!” Ungeduldig trippelte Anna am Treppenabgang vor der Küche hin und her. Der Kleine jaulte, und bis sie ihr Morgenmahl bekäme, wäre er sicher verhungert. Ein Stück Brot wäre die Rettung …
    “Was schreist du vor dem ersten Rufen so

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